Das Vorkommen eines elektrischen Ladegeräts an einer Tankstelle oder in einem Einkaufszentrum ist keine Neuheit mehr. Erstaunlich ist jedoch die Tatsache, dass es seit Jahren keine einheitliche Aussage von EU- oder polnischen Behörden gibt, ob das Aufladen von Elektroautos eine Lieferung von Gegenständen oder eine Erbringung von Dienstleistungen im Sinne der USt-Vorschriften darstellt. Zweifel bei der Abrechnung der USt entstehen vor allem, wenn der Einkäufer ein nichtpolnisches Unternehmen ist. Das Problem beschrieben wir bereits 2018 in unserem Blog (siehe Link); es liegt jedoch immer noch keine klare Antwort vor. Nun ist die Frage umso wichtiger, da aktuell ein ermäßigter Steuersatz von 5% für Energielieferungen gilt. Selbst die größten Betreiber von Ladestationen in Polen haben Zweifel, da einige die Tätigkeit als Dienstleistung, andere als Lieferung von Waren betrachten, was zur Folge hat, dass in den Ladestationen in Polen unterschiedliche USt-Sätze gelten können.

Zweifel an der Abrechnung der USt beim Aufladen von Elektroautos

Das Aufladen von Elektroautos stellt eine Leistung dar, die nicht nur aus dem Verkauf von Energie besteht – die Betreiber von Ladestationen bieten u.a. auch folgende Möglichkeiten an:

  • Bereitstellung von Ladegeräten (einschließlich der Integration des Ladegeräts in das Fahrzeugbetriebssystem),
  • Bereitstellung eines elektrischen Energieflusses mit geeigneten Parametern für die Batterien des Elektrofahrzeugs,
  • Bereitstellung der Ladeinfrastruktur und der dafür notwendigen Parkplätze,
  • technische Unterstützung für die Nutzer des Fahrzeugs,
  • Bereitstellung einer Website oder von Mobile-Apps, die weitere Möglichkeiten, z.B. Zugriff auf die Kaufhistorie, mobile Zahlungen usw. bieten.

Es besteht grundsätzlich kein Zweifel, dass das Aufladen von Elektrofahrzeugen eine komplexe Leistung im umsatzsteuerlichen Sinne ist. Die Steuerpflichtigen (meistens die Betreiber von Ladestationen) haben jedoch Bedenken, ob die erbrachte Leistung als Warenlieferung oder Dienstleistung anzusehen ist, welche Leistung also in der Gesamtleistung die sog. Hauptleistung darstellt. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da die Besteuerung des Umsatzes von der Art der Hauptleistung abhängt (die Nebenleistungen tragen das steuerliche Schicksal der Hauptleistungen). Zahlreiche Anfragen bei den Steuerbehörden führten in der Folge auch zu Urteilen polnischer Verwaltungsgerichte.

Ansicht der polnischen Steuerbehörde

Der Leiter der Nationalen Finanzauskunft ging in den individuellen Steuerauskünften vom Grundgedanken aus, dass es für den Nutzer eines Elektroautos in erster Linie darauf ankommt, das Fahrzeug aufzuladen, d.h. die für den Antrieb des Fahrzeugs erforderliche Energiemenge zu sammeln, so z.B. in den individuellen Steuerauskünften vom 16. Mai 2017 (Nr. 1462-IPPP1.4512.120.2017.1.AKO), vom 7. August 2020 (Nr. 0111-KDIB3-3.4012.236.2020.2.PK) sowie vom 4. Januar 2022 (Nr. 0114-KDIP4-3.4012.678.2021.1.DS). Seiner Meinung nach ist das Hauptziel der Kunden der Energieverbrauch und nicht die Wahl der Infrastruktur. Die Verwendung eines speziellen Gerätes zum Aufladen des Fahrzeugs sei zwar notwendig, aber dennoch sekundär und diene nur als Mittel, um in den Genuss der Hauptleistung zu kommen. Nach dieser Ansicht stellt das Aufladen von Elektroautos eine komplexe Leistung dar, wobei die Warenlieferung dominiert.

Urteil des Wojewodschaftlichen Verwaltungsgerichts in Warschau

In Bezug auf die umsatzsteuerliche Einstufung des Aufladens von Elektroautos äußerten sich auch die Verwaltungsgerichte, z.B. das Wojewodschaftliche Verwaltungsgericht in Warschau am 6. Juni 2018  in der Rechtssache III SA/Wa 3071/17 (dieses Urteil wurde von uns 2018 im oben erwähnten Eintrag beschrieben). Im Gegensatz zu den Steuerauskünften der Steuerorgane stellte das Gericht fest, dass beim Aufladen von Elektroautos die Hauptleistung die Bereitstellung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge darstellt, da die Hauptabsicht für den Nutzer die Verwendung von Geräten sei, mit denen das Fahrzeug schnell und effizient aufgeladen werden kann.

Aufladen von Elektroautos

Gleichzeitig vertrat das Gericht die Auffassung, der Hauptzweck der Leistung sei nicht der Kauf von Strom. Wäre dies der Fall, würde jeder Besitzer eines Elektrofahrzeugs statt einer Ladestation das Hausnetz oder das Netz am Arbeitsplatz nutzen, in dem schließlich derselbe Strom fließt wie im Netz an den Ladenstationen. Anders verhält es sich beispielsweise bei der Betankung von Flüssigkraftstoffen, wo der Kunde die Art des Kraftstoffs wählen kann und gleichzeitig die Effizienz der Zapfsäule völlig unerheblich ist und keinen Einfluss auf die Wahl der Tankstelle hat.

Endgültige Antwort wird vom Europäischen Gerichtshof gegeben

Gegen das Urteil des Wojewodschaftlichen Verwaltungsgerichts legte der Leiter der Nationalen Finanzauskunft Berufung ein, wodurch der Sachverhalt vom Obersten Verwaltungsgericht geprüft wurde. In Anbetracht der Bedeutung und Komplexität dieses Themas entschied das Oberste Verwaltungsgericht am 23.02.2022, die Frage,  ob die an den Ladepunkten erbrachte einheitliche Leistung eine Warenlieferung oder sonstige Leistung darstellt, dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen. Dies bedeutet, dass wahrscheinlich noch einige Monate vergehen, bis eine endgültige Antwort auf diese Frage vorliegt.

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