Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen liefern, die mit verschiedenen Umsatzsteuersätzen besteuert werden, haben sehr oft Probleme mit der Zuordnung des richtigen USt-Satzes. Wird auf einem ausgestellten Kassenbon ein Fehler begangen, gibt es keine Möglichkeit, diesen rückgängig zu machen oder zumindest eine Korrektur auf einer Registrierkasse vorzunehmen (dies ist technisch nicht möglich). Fehler beim USt-Satz entstehen bereits bei der Programmierung der Registrierkasse, d.h. bei der Eingabe von Waren und Dienstleistungen in den Datenspeicher.

Man unterscheidet zwei Fälle – wenn der Ust-Satz zu hoch ist, wird z.B. ein Ust-Satz von 23% anstelle von 8% programmiert, und den umgekehrten Fall – wenn der USt-Satz zu niedrig ist, wird z.B. ein USt-Satz von 8% für eine Ware oder eine Dienstleistung programmiert, für die der USt-Satz von 23% gilt.

Die Kassenverordnungen regeln nur das Verfahren für den zweiten Fall. Falls der USt-Satz auf einem Kassenbon zu niedrig angesetzt wurde, sollte der korrekte USt-Satz in der USt-Erklärung JPK_V7M ausgewiesen und mit dem Finanzamt entsprechend abgerechnet werden. Diese Korrektur wird direkt in der USt-Erklärung vorgenommen, nicht über die Registrierkasse. Die Steuervorschriften regeln nicht, wie im Falle einer Überhöhung des USt-Satzes zu verfahren ist – man sollte sich an den individuellen Steuerauskünften der Steuerbehörden orientieren.

Standpunkt der Steuerbehörden

Bisher war die Stellungnahme der Steuerbehörden zur Rückforderung der auf dem Kassenbon ausgewiesenen überhöhten Umsatzsteuer einheitlich und ging davon aus, dass der Unternehmer, der einen falschen Steuersatz angegeben hat, keinen Anspruch auf Rückerstattung der Umsatzsteuer aus den auf einer Registrierkasse ausgestellten Bons hat. Sie vertraten die Auffassung, dass der Steuerpflichtige den zu hoch angesetzten USt-Satz nicht korrigieren kann, wenn er nicht beabsichtigt, dem Erwerber die zu Unrecht erhobene USt zu erstatten. Die Steuerbehörden argumentierten, dass die Rückerstattung der überhöhten Umsatzsteuer eine ungerechtfertigte Bereicherung des Steuerpflichtigen darstellen würde, da die wirtschaftliche Belastung durch die Umsatzsteuer bereits auf den Konsumenten abgewälzt worden sei.

Die Steuerbehörden begründeten ihre Haltung in solchen Fällen u. a. mit dem Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2011 (Nr. I GPS 1/11). Aus diesem Urteil ergibt sich, dass der auf den Verkauf von Strom gezahlte Verbrauchsteuerbetrag keine Steuerüberzahlung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Pkt. 1 der Abgabenordnung darstellt, wenn demjenigen, der die Zahlung geleistet hat, dadurch kein Vermögensschaden entstanden ist.

Einen ähnlichen Standpunkt wie die Steuerbehörden vertrat das Oberste Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Juni 2019 (Nr. I FSK 912/17). In dem vom Gerichtshof behandelten Sachverhalt stellte der Steuerpflichtige in seinem Antrag auf Erteilung der individuellen Steuerauskunft dar, dass er nach Anwendung eines falschen (überhöhten) Mehrwertsteuersatzes beabsichtige, denjenigen Kunden, denen Rechnungen ausgestellt wurden, einen Teil des Betrags zu erstatten. Bei Kunden, denen lediglich ein Kassenbon ausgestellt wurde und deren Daten nicht zu ermitteln seien, sei eine Erstattung unmöglich; der Betrag der Steuerdifferenz würde in diesen Fällen als Einnahme verbucht. Das Oberste Verwaltungsgericht entschied, dass der Steuerpflichtige im Fall einer Überhöhung des USt-Satzes nicht berechtigt sei, die Umsatzsteuer auf Verkäufe zu korrigieren, die ausschließlich in einer Registrierkasse ausgewiesen wurden, wenn er nicht beabsichtigt, dem Käufer die zu Unrecht erhobene Steuer zurückzuerstatten.

Die Verwaltungsgerichte beider Instanzen vertreten nun in dieser Frage einen anderen Standpunkt. Der Unternehmer erhält die Möglichkeit, die auf dem Kassenbon ausgewiesene überhöhte Mehrwertsteuer zurückzufordern, was u.a. durch 24 Urteile des Obersten Verwaltungsgerichts vom März 2022 bestätigt wurde.

Aktueller Standpunkt der Verwaltungsgerichte

Eines der Urteile des Obersten Verwaltungsgerichts betraf einen Steuerpflichtigen, der in seinem Antrag auf individuelle Steuerauskunft folgenden Sachverhalt darlegte: Der Unternehmer ist ein aktiver MwSt.-Zahler, der im polnischen Hoheitsgebiet im Gaststättengewerbe tätig ist. Im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit verkaufte der Steuerpflichtige seinen Kunden u.a. frische Salate, Pizzen, Wraps, Kartoffelchips, Obst und Getränke. Das Unternehmen wendete ursprünglich den USt-Satz von 8% an, weil es diese Verkäufe (in Restaurants, Imbissbuden und im Lieferservice) als Gastronomiedienstleistungen behandelte. Es hatte jedoch Zweifel an der korrekten Einordnung dieser Tätigkeit. Der Leiter der Nationalen Finanzauskunft erließ am 10.09.2015 eine individuelle Steuerauskunft (Nr. ILPP2/4512-1-907/15-4/AW), in der er entschied, dass sich aus dem dargestellten Sachverhalt ergibt, dass es sich nicht um eine Dienstleistung, sondern um eine Warenlieferung handelt – d.h. um den Verkauf von zubereiteten Mahlzeiten und Gerichten, der mit einem USt-Satz von 5% zu besteuern ist.

Nach dem Erhalt dieser Steuerauskunft reichte der Steuerpflichtige beim Finanzamt die Korrekturen der USt-Erklärungen VAT-7 für einzelne Monate ein und beantragte die Rückerstattung der USt-Überzahlung. Er erhielt jedoch einen negativen Bescheid vom Leiter des Finanzamts, dem sich auch der Leiter der Nationalen Finanzauskunft in Warschau anschloss.

USt-Überzahlung

Beide Behörden vertraten die Auffassung, dass eine Rückerstattung der USt-Überzahlung nur demjenigen zustehe, der durch sie einen Vermögensschaden erlitten hat. Aus dem Fall ging nicht hervor, dass der Steuerpflichtige die Absicht hatte, die überzahlte Umsatzsteuer an den Konsumenten zurückzuerstatten. Würde der Steuerpflichtige die von ihm beantragte Rückerstattung der USt-Überzahlung vom Finanzamt erhalten, würde er sich nach Ansicht der Behörden ungerechtfertigt bereichern. Die Behörden verwiesen u.a. auf den bereits erwähnten Beschluss des Obersten Verwaltungsgerichts vom 22.06.2011 (Nr. I GPS 1/11).

Der Steuerpflichtige legte Klage beim Wojewodschaftlichen Verwaltungsgericht in Warschau ein, in der er die Aufhebung der Entscheidungen der Steuerbehörde beantragte. Das Gericht gab der Beschwerde statt, was auch vom Obersten Verwaltungsgericht bestätigt wurde.

Das Wojewodschaftliche Verwaltungsgericht in Warschau stimmte zu, dass gemäß Art. 72 Abs. 1 Pkt. 1 der Abgabenordnung als Steuerüberzahlung ein Betrag der überzahlten oder der rechtsgrundlos gezahlten Steuer gilt, jedoch erwähnen dieser und die nachfolgenden Artikel keine Notwendigkeit des Nachweises eines Vermögensschadens in Bezug auf die Steuerüberzahlung oder eine rechtsgrundlos gezahlte Steuer. Das Verwaltungsgericht erster Instanz entschied, dass das Urteil Nr. I GPS 1/11 im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da es die Verbrauchsteuer auf Strom betreffe und nicht die USt-Überzahlung. Das Gericht stellte ferner fest, dass der Steuerpflichtige nicht verpflichtet war, in seinem Antrag zu vermerken, dass er die auf den Kassenbon ausgewiesene Umsatzsteuer korrigieren wollte.

Das Oberste Verwaltungsgericht teilte die Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts und vertrat den Standpunkt, dass der Unternehmer in diesem Fall berechtigt sei, die USt-Überzahlung zurückzufordern, und dass das Fehlen eines Vermögensschadens für den Unternehmer dem Anspruch auf Rückerstattung der USt-Überzahlung nicht entgegenstehe.

In den übrigen 23 Urteilen vom März vertrat das Oberste Verwaltungsgericht die gleiche Auffassung und entschied, dass keine Gründe für die Verweigerung zur Erstattung überhöhter Umsatzsteuer vorlegen.

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