Welche Umsatzsteuersanktionen gelten in Polen?

Im Rahmen der Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrügen sind am 1. Januar 2017 Sanktionen in diesem Bereich in Kraft getreten. Die Vorschriften des polnischen USt-Gesetzes sehen vor, dass diese nach unterschiedlichen Sätzen (15%, 20%, 30%, 100%) verhängt werden können.

Urteile der polnischen Verwaltungsgerichte

Nach Einführung der Sanktionen Anfang 2017 waren die Steuerbehörden der Meinung, dass sie im Falle einer der im USt-Gesetz definierten Unregelmäßigkeiten bei  der Umsatzsteuerabrechnung verpflichtet seien, die Sanktion automatisch zu verhängen, da diese sich direkt aus den Vorschriften des USt-Gesetzes ergeben. Eine ähnliche Ansicht wurde von einigen Verwaltungsgerichten geteilt, z.B. im Urteil I SA/Rz 474/19 des Wojewodschaftlichen Verwaltungsgericht in Rzeszów vom 17.09.2019.

Andererseits fällten manche Verwaltungsgerichte Urteile, in denen die automatische Auferlegung der Sanktionen in Frage gestellt wurde. Dabei wurde betont, dass die Behörde die Umstände der Unregelmäßigkeiten im Einzelfall prüfen sollte – insbesondere die Sorgfaltspflicht des Steuerpflichtigen.

Verwaltungsgericht

Im Jahr 2019 richtete das Wojewodschaftliche Verwaltungsgericht in Wrocław eine Vorlagefrage an den Europäischen Gerichtshof, mit der entschieden werden sollte, ob die Sanktion von 20% mit der EU-Richtlinie bezüglich der Verhältnismäßigkeit und der Mehrwertsteuerneutralität vereinbar ist. Im Urteil C-935/19 vom 15.04.2021 wies der EuGH darauf hin, dass die Steuerbehörde das Recht haben sollte, die Sanktion  je nach Situation zu vermindern oder darauf ganz zu verzichten – insbesondere, wenn der Fehler des Steuerpflichtigen nicht als Betrug anzusehen ist und keinen Verlust von Steuereinnahmen zur Folge hat (der Hintergrund des Urteils wurde in unserem Artikel „Keine Strafe für ehrliche Unternehmen bei umsatzsteuerlichen Abrechnungen EuGH-Urteil C-935/19 vom 15.04.2021“ beschrieben https://blog.taxbenefit.pl/pl/uncategorized/keine-strafe-fuer-ehrliche-unternehmen-bei-umsatzsteuerlichen-abrechnungen-eugh-urteil-c-935-19-vom-15-04-2021-2/). Die im polnischen USt-Gesetz enthaltene Sanktion von 20% sieht eine solche Möglichkeit nicht vor, was nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs der EU-Richtlinie widerspricht.

Folgen des EuGH-Urteils C-935/19

Zwar hat der EuGH den Fall bezüglich der Sanktion von 20% entschieden, aber die in diesem Urteil festgelegten Regeln gelten auch für die anderen Sanktionssätze. Die Mechanismen zur Bestimmung zusätzlicher Steuerverbindlichkeiten nach den Sätzen von 15, 30, und 100 Prozent erlauben ebenfalls keine individuelle Bestrafung. Man kann somit annehmen, dass auch sie den Grundsätzen der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit widersprechen.

Entscheidungen von Steuerbehörden, die ohne Berücksichtigung der Gründe für die Verminderung der Steuereinnahmen getroffen werden, verstoßen gegen die oben genannten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der umsatzsteuerlichen Neutralität. Eine solche Vorgehensweise bestätigen die letzten Urteile der Verwaltungsgerichte (z.B. Urteil I FSK 2324/21 des Obersten Verwaltungsgerichts vom 21.01.2022).

Derzeit arbeitet der Gesetzgeber daran, die polnischen Sanktionsvorschriften an die EU-Richtlinie anzupassen. Eine der vorgeschlagenen Lösungen ist ein zusätzlicher Umstand, der die Anwendung von Sanktionen ausschließt. Es geht um Situationen, in denen der Steuerpflichtige mit Sorgfalt vorgeht und keine Verminderung der Steuereinnahmen vorliegt. Außerdem ist vorgesehen, die Sanktionssätze zu reduzieren – von 20 % auf 10 % und von 15 % auf 5 %. Die Änderungen können voraussichtlich am 01.01.2023 in Kraft treten.

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