Das polnische Umsatzsteuergesetz sieht einige Fälle vor, in denen die Steuerbehörde Unternehmen von Amts wegen aus dem Register der aktiven USt-Pflichtigen streichen kann. Ein Steuerpflichtiger wird insbesondere dann aus dem Register entfernt, wenn er für einen bestimmten Zeitraum die sog. Nullmeldungen eingereicht hat, wenn es nicht möglich ist, mit ihm oder seinem Vertreter Kontakt aufzunehmen, oder wenn in den Registrierungsunterlagen unwahre Angaben gemacht wurden. Die Streichung aus dem Umsatzsteuerregister kann für Steuerzahler mehrere Probleme verursachen, wie z.B. die Aberkennung des Rechts auf Vorsteuerabzug oder die Pflicht zur erneuten USt-Registrierung. Außerdem sind die Vereinfachungen bei der Abrechnung der Einfuhr-USt eventuell nicht anwendbar.  Ein Verlust an Glaubwürdigkeit bei den Vertragspartnern ist ebenfalls nicht ausgeschlossen.

Ist das Finanzamt verpflichtet, den Steuerpflichtigen über die Streichung aus dem Umsatzsteuerregister zu informieren?

Ein wichtiger Aspekt ist hierbei, ob die Steuerbehörde den Steuerpflichtigen in jedem Fall  abmelden kann, ohne ihn darüber zu informieren. Nach  Art. 96 Abs. 9 des polnischen USt-Gesetzes darf die Streichung von Amts wegen und ohne Benachrichtigung nur in bestimmten Fällen erfolgen, z.B. wenn der Umsatzsteuerpflichtige nicht existiert oder die Kontaktaufnahme mit dem Steuerpflichtigen unmöglich ist. Wenn der Steuerpflichtige z.B. für einen bestimmten Zeitraum die sog. Nullmeldungen eingereicht hat, kann er ebenfalls von Amts wegen abgemeldet werden, jedoch enthält die betroffene Vorschrift – Art. 96 Abs. 9a des USt-Gesetzes – keine Regelung, ob und auf welchem Wege der Steuerzahler darüber informiert werden soll (diese Vorschrift enthält, im Gegensatz zu Art. 96 Abs. 9, nicht den Hinweis, dass die Streichung aus dem Umsatzsteuerregister ohne Benachrichtigung erfolgt).

Die Formulierung der Vorschrift führte zu Unklarheiten, ob die Streichung aus dem Umsatzsteuerregister ohne Information erfolgen darf, ein offizieller Bescheid erstellt werden muss oder lediglich eine Benachrichtigung vom Finanzamt erfolgen sollte. Dieses Thema wurde bereits in unseren früheren Beiträgen erwähnt (siehe Link); hierzu wurden aber inzwischen wichtige Urteile gefällt.

Sachverhalt

 Ein österreichisches Unternehmen, das über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren die vierteljährlichen USt-Meldungen mit Nullangaben in Polen einreichte, wurde im März 2018 durch die polnische Steuerbehörde von Amts wegen abgemeldet. Das Finanzamt informierte den Steuerpflichtigen darüber in einer Benachrichtigung, die am 19. März 2018 erstellt wurde, und erklärte, die Rechtsgrundlage hierfür sei Art. 96 Abs. 9a Pkt. 3 des USt-Gesetzes.  Das Unternehmen focht diese Mitteilung vor Gericht an. Der Steuerpflichtige argumentierte, die Steuerbehörde habe Art. 96 Abs. 9e des USt-Gesetzes nicht beachtet, wonach ein Steuerpflichtiger nicht aus dem USt-Register gestrichen wird, wenn die Nichtmeldung steuerbarer Geschäfte über einen längeren Zeitraum der Besonderheit der wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldet ist. Der Steuerzahler wies ebenfalls darauf hin, dass er dies zuvor dem Finanzamt erklärt habe, aber diese Erklärungen von der Behörde nicht berücksichtigt worden seien. Außerdem war das Unternehmen der Meinung, dass die Streichung aus dem Register in Form eines Bescheids i.S. der Abgabenverordnung erfolgen sollte.

Urteil in erster Instanz

Streichung aus dem Umsatzsteuerregister

Im Urteil III SA/Wa 1335/18 vom 20.02.2019 gab das Wojewodschaftliche Verwaltungsgericht in Warschau dem Steuerpflichtigen Recht. Das Gericht hob hervor, dass die Behörde bei der Streichung aus dem Umsatzsteuerregister über die Rechte und Pflichten des Steuerpflichtigen entscheidet. So sollte die Streichung die Form eines Bescheids haben, sodass der Steuerpflichtige die Folgen der Situation, in der er sich aufgrund dieser Entscheidung befindet, wirksam und nachvollziehbar erkennen kann. Gleichzeitig hätte er die Möglichkeit, am Verfahren bzgl. der Nicht-Anmeldung von Umsätzen teilzunehmen, zu den gesammelten Beweisen Stellung zu nehmen und bei Bedarf die Entscheidung anzufechten. Da im vorliegenden Fall kein Verfahren eingeleitet wurde, wurden nach Ansicht des Gerichts die Rechte des Steuerzahlers verletzt. Das Gericht wies ebenfalls darauf hin, dass das Finanzamt  zu den Erläuterungen des Steuerpflichtigen bzgl. der Nicht-Anmeldung steuerbarer Geschäfte und der Besonderheit seiner wirtschaftlichen Tätigkeit Stellung nehmen sollte. Aus diesem Grund erklärte das Gericht die Streichung des Steuerpflichtigen aus dem Mehrwertsteuerregister für wirkungslos.

Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts

Das Oberste Verwaltungsgericht wies im Urteil I FSK 1592/19 vom 20.05.2022 die vom Finanzamt eingereichte Klage gegen das Urteil des Wojewodschaftlichen Verwaltungsgerichts ab, stimmte aber nur teilweise der Begründung des erstinstanzlichen Gerichts zu. Das Oberste Verwaltungsgericht stellte fest, dass das Finanzamt vor der Streichung des Steuerpflichtigen aus dem Umsatzsteuerregister im Rahmen von Prüfungstätigkeiten feststellen sollte, ob die Nichtmeldung steuerbarer Geschäfte über einen längeren Zeitraum an der Besonderheit der wirtschaftlichen Tätigkeit lag. Das Gericht erklärte, dass der Zweck dieser Vorschriften die Streichung von Rechtssubjekten sei, die ihre USt-Registrierung zu Missbrauch oder Betrug nutzen. Daher sollte das Finanzamt zuerst den Steuerpflichtigen kontaktieren und prüfen, ob die Nicht-Anmeldung von Transaktionen tatsächlich auf die Besonderheit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist oder nicht.

Das Gericht stimmte jedoch teilweise der Argumentation des Finanzamtes zu und stellte fest, dass  das Finanzamt im vorliegenden Fall nicht verpflichtet war, einen Bescheid zu erlassen. Es begründete seinen Standpunkt mit einer wörtlichen Auslegung der betreffenden Bestimmungen des USt-Gesetzes, nach denen kein Grund für eine Differenzierung der in den Art. 96 Abs. 9 und 9a aufgeführten Fälle besteht. Das Oberste Verwaltungsgericht wies ebenfalls darauf hin, dass der bisherigen Judikatur zufolge die Streichung eines Steuerpflichtigen aus dem Umsatzsteuerregister ein materiell-technischer Schritt ist, der die Behörde nicht zum Erlass einer Entscheidung, eines Bescheids oder einer anderen Benachrichtigung in dieser Hinsicht verpflichtet und auch kein Verfahren erfordert, sondern sich darauf beschränkt, die erforderlichen Feststellungen auf der Grundlage von Prüfungstätigkeiten zu treffen.

Dieses Urteil ist rechtskräftig.

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