Allgemeine Regelungen zum Export

Nach den polnischen USt-Vorschriften stellt der Export (Warenausfuhr) eine Lieferung von Waren dar, die aus dem Inland in Gebiete außerhalb der Europäischen Union gesandt bzw. befördert werden. Der Export soll durch einen Verkäufer oder für dessen Rechnung oder durch einen Erwerber mit Sitz außerhalb Polens oder für dessen Rechnung ausgeführt werden. Darüber hinaus soll die Ausfuhr von einer in einschlägigen Zollvorschriften bestimmten zuständigen Zollbehörde bestätigt werden.

Steuersatz beim Export

Der Export wird mit dem USt-Satz von 0% besteuert, vorausgesetzt, dass der Lieferant einen Nachweis besitzt, der die Ausfuhr der Waren aus dem Gebiet der Europäischen Union bestätigt. Gemäß Art. 41 Abs. 6a des polnischen USt-Gesetzes können als Ausfuhrnachweis beim Export insbesondere folgende Unterlagen angesehen werden:

  1. ein elektronisches Dokument, das vom EDV-System zur Bearbeitung der Ausfuhranmeldungen ausgestellt wurde, oder ein vom zuständigen Zollamt bestätigter Ausdruck dieses Dokuments,
  2. ein Dokument in elektronischer Form zur Bearbeitung von Ausfuhranmeldungen, das außerhalb dieses Systems eingegangen ist, wenn seine Echtheit sichergestellt ist,
  3. eine außerhalb des EDV-Systems zur Bearbeitung von Ausfuhranmeldungen eingereichte Ausfuhranmeldung in Papierform oder deren von der Zollstelle beglaubigte Kopie.

Liegt dem Lieferanten kein einschlägiger Nachweis vor, sollte er die Lieferung unter Anwendung des auf eine inländische Warenlieferung anzuwendenden Steuersatzes melden, wobei die Umsatzsteuer nach Erhalt der entsprechenden Nachweise korrigiert werden kann.

Belegnachweise beim Export

In der polnischen Praxis ist das am häufigsten verwendete Zolldokument die IE-599-Bestätigung (oder ein Zolldokument aus einem anderen als Polen EU-Staat, s. mehr in dem folgenden Beitrag: https://blog.taxbenefit.pl/pl/uncategorized/deutscher-ausgangsvermerk-als-polnischer-ausfuhrnachweis-positive-steuerliche-auskunft-fur-unseren-mandanten-2/), die den Abschluss des Ausfuhrverfahrens bestätigt. Aufgrund von Verwendung der Formulierung „insbesondere“ in der oben genannten Vorschrift, wird der Katalog von Nachweisen als offener Katalog behandelt. Aus dem Grund richten sich einige Steuerpflichtigen, die über kein Zolldokument (z.B. IE-599-Bestätigung) verfügen, an die polnische Steuerbehörde mit der Frage, ob der Umsatzsteuersatz von 0% auf der Grundlage anderer Dokumente, die die Lieferung der Waren eindeutig belegen, angewendet werden kann.

Steuerbehörde ändert ihren Standpunkt zum ersten Mal…

Die Steuerbehörde hat diese Bestimmung viele Jahre lang sehr restriktiv gehandhabt und im Allgemeinen darauf hingewiesen, dass für die Anwendung des USt-Satzes von 0% ein offizielles Zolldokument erforderlich ist. Vor einiger Zeit (vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2022 und Anfang 2023) wurden allerdings mehrere individuelle Steuerauskünfte durch die polnische Steuerbehörde erteilt, die auf eine Liberalisierung des bisherigen Standpunktes hindeuteten. Die Steuerbehörde nahm die Anwendung des 0%-Satzes an, wenn der Steuerpflichtige neben der Rechnung, die u. a. die Namen und Mengen der verkauften Waren enthält, auch mindestens eines der folgenden Dokumente besitzt (individuelle Steuerauskunft 0113-KDIPT1-2.4012.386.2022.1.JS vom 20.07.2022):

  • Frachtbrief (z. B. CMR-Dokument) mit Unterschrift oder Stempel des Frachtführers und der Person, die die Waren außerhalb der EU abnimmt;
  • Erklärung des Erwerbers, dass die gelieferten Waren an den Bestimmungsort außerhalb der EU geliefert wurden;
  • Erklärung des für die Beförderung der Waren verantwortlichen Beförderers, dass die gelieferten Waren an den Bestimmungsort außerhalb der EU geliefert wurden;
  • Ein Dokument, das von der Zollverwaltung eines Drittlandes (außerhalb der EU) im Zusammenhang mit der Einfuhr und Abfertigung der zu liefernden Waren in diesem Land ausgestellt wurde.

In anderen Steuerauskünften wurden auch folgende Dokumente als Nachweise beim Export akzeptiert (individuelle Steuerauskünfte 0112-KDIL1-3.4012.461.2022.1.AKS vom 02.12.2022 und 0114-KDIP1-2.4012.515.2022.2.RM vom 02.01.2023):

  • Bestätigung in Form einer zusammenfassenden Datei im PDF-, XLSX- oder CSV-Format, die der für den Transport der Waren verantwortliche Spediteur übermittelt, dass die zu liefernden Waren an einen Ort außerhalb der EU geliefert wurden;
  • Erklärung des für die Warenannahme zuständigen Lagers im Bestimmungsland außerhalb der EU, das die Waren im Auftrag des Kunden entgegengenommen hat;
  • eine vom Kunden abgestempelte und unterzeichnete Rechnungskopie sowie eine kurze handschriftliche Erklärung, in der der Erhalt der Ware zum angegebenen Datum bestätigt wird.

… und nun zum zweiten Mal

In den letzten Wochen ist die Steuerbehörde zu ihrem ursprünglichen Ansatz zurückgekehrt – in den neuesten individuellen Steuerauskünften weist sie erneut auf die Notwendigkeit eines vom Zoll bestätigten Dokuments hin (so z.B. in den individuellen Steuerauskünften 0111-KDIB3-3.4012.131.2023.2.AW vom 26.05.2023, 0113-KDIPT1-2.4012.899.2022.2.AM vom 29.05.2023 oder 0114-KDIP1-2.4012.24.2023.1.GK und 0114-KDIP1-2.4012.97.2023.1.RM vom 30.05.2023). Gleichzeitig werden die Nachweise, die in den Steuerauskünften im obigen Abschnitt erwähnt wurden (oder ähnliche), nicht mehr zur Anwendung des USt-Satzes von 0% beim Export berechtigen. Die Behörde begründet ihren gegenwärtigen Standpunkt damit, dass diese Dokumente nicht als „amtlich“ angesehen werden können, da in einem solchen Fall ein anderer Wirtschaftsbeteiligter (in der Regel die Gegenpartei oder Logistikpartner des Steuerpflichtigen) und nicht die zuständige Zollbehörde in Polen oder eines anderen EU-Mitgliedstaates die Ausfuhr außerhalb der EU bestätigt. Auch ein Dokument, das von der Zollverwaltung eines Drittlandes (außerhalb der EU) im Zusammenhang mit der Einfuhr und Abfertigung der gelieferten Waren in diesem Land ausgestellt wird, kann nicht als ein entsprechender Ausfuhrnachweis angesehen werden.

Ausfuhr aus Polen

Hat dies noch etwas mit der Rechtsprechung zu tun?

Die Zweifel der Steuerbehörde sind umso erstaunlicher, als es bereits zahlreiche Urteile des Europäischen Gerichtshofs und polnischer Verwaltungsgerichte zu diesem Thema gibt. Im Urteil vom 28. März 2018 in der Rechtssache C‑275/18 wies der Europäische Gerichtshof darauf hin, dass die Steuerbefreiung beim Export (in Polen in Form der Anwendung des 0%-Satzes) zusteht, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, d.h.:

  • das Recht, wie ein Eigentümer über diesen Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist,
  • der Lieferant nachweist, dass der Gegenstand an einen Ort außerhalb der Union versandt oder befördert worden ist, und
  • der Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung das Hoheitsgebiet der Union physisch verlassen hat.

Die Steuerbefreiung kann nur dann von einem Steuerpflichtigen nicht in Anspruch genommen werden, wenn er absichtlich an einem Steuerbetrug teilgenommen hat oder kein sicherer Nachweis vorliegt, dass die materiellen Anforderungen erfüllt worden sind. Der EuGH ist ebenfalls in einem Urteil zu der Auffassung gelangt, dass ein Export, der außerhalb des zollrechtlichen Ausfuhrverfahrens erfolgt, ebenfalls von der USt befreit werden kann, sofern die tatsächliche Verbringung der betreffenden Gegenstände aus dem Gebiet der Union nachgewiesen worden ist.

Auch die polnische Verwaltungsgerichte vertreten den Standpunkt der Steuerbehörde nicht…

Obwohl das erwähnte Urteil des EuGH einen tschechischen Steuerpflichtigen und dortige USt-Vorschriften betraf, werden die daraus resultierenden Schlussfolgerungen auch von polnischen Verwaltungsgerichten herangezogen. Zum Beispiel im Urteil I FSK 2005/17 vom 21.07.2020 entschied das Oberste Verwaltungsgericht, dass das Recht auf Anwendung des USt-Satzes von 0 % nicht allein mit der Begründung abgesprochen werden kann, dass der Steuerpflichtige nicht im Besitz eines konkreten Dokuments ist, das die Ausfuhr von Gegenständen außerhalb der EU bestätigt, wenn diese Ausfuhr tatsächlich stattfand. Gleichzeitig verwies das Gericht auf die frühere Rechtsprechung der nationalen Verwaltungsgerichte, die bereits betont hatten, dass die Steuerbehörden den Umstand der Ausfuhr der EU nicht außer Acht lassen dürfen, wenn die Ausfuhr durch andere Nachweise (als Zolldokumente) zweifelsfrei belegt ist. Die Anwendung des für Inlandsumsätze geltenden Steuersatzes auf solche Ausfuhren verstößt nicht nur gegen den Grundsatz der MwSt-Neutralität, sondern wird auch den tatsächlichen Feststellungen der Steuerbehörden nicht gerecht und hat daher eher die Form einer steuerlichen Sanktion.

 

Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gelangte das Wojewodschaftliche Verwaltungsgericht in Rzeszów in seinem Urteil vom 24.06.2021 in der Rechtssache I SA/Rz 385/21 in Bezug auf eine von der Steuerbehörde ausgestellte individuelle Steuerauskunft. Das Gericht stellte fest, dass das von der Steuerbehörde angegebene Erfordernis eines Zolldokuments (IE599-Bestätigung) nicht durch die geltenden Rechtsvorschriften begründet ist. Darüber hinaus betonte das Gericht, dass die von den Steuerbehörden vertretene Position sowohl entgegen der Rechtsprechung des EuGH und des Obersten Verwaltungsgerichts als auch ohne Berücksichtigung der zuvor erteilten Steuerauskünfte (zugunsten eines anderen Steuerpflichtigen) erfolgte. Folglich ging die Behörde dem Wojewodschaftlichen Verwaltungsgericht in Rzeszów zufolge in einer Weise vor, die kein Vertrauen in die Steuerbehörden erweckte.

Fazit 

Die bisher von der Steuerbehörde vorgelegte steuerzahlerfreundliche Auslegung der Vorschriften ist leider geändert worden. Folglich kann es dazu führen, dass die individuellen Steuerauskünfte, die auf eine Liberalisierung hindeuteten, durch die Finanzverwaltung bald angepasst oder aufgehoben werden. Andererseits ist es, angesichts der ober erwähnten Gerichtsurteile zu erwarten, dass Steuerpflichtige, die in letzter Zeit die ungünstigen individuellen Steuerauskünfte erhalten haben, diese anfechten werden, was zu weiteren Urteilen in dieser Angelegenheit führen wird.

In diesem unsicheren Umfeld empfehlen wir den Steuerpflichtigen, die die Waren von Polen aus ins Drittland ausführen, immer ein Zolldokument zu besitzen, um einen eventuellen Streitfall mit dem polnischem Finanzamt zu vermeiden. Gleichzeitig wäre es unseres Erachtens wünschenswert, wenn die polnische Steuerbehörde den Standpunkt definitiv auf einen steuerzahlerfreundlichen ändert oder das Finanzministerium entsprechende Schritte vornimmt (Gesetzesänderung oder Erstellung einer allgemeinen Steuerauskunft), die diese Problematik endgültig klären würde. Ansonsten müssen die Steuerpflichtigen weiter mit jahrelangen Prozessen vor Verwaltungsgerichten rechnen.

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