Doppelte Steuerschuld?
Was passiert, wenn ein Steuerpflichtiger eine Rechnung 30 Tage vor der Lieferung erstellt und die Waren nach dieser Frist abgeholt oder bezahlt werden? Nach vorherrschender Meinung seitens der Steuerbehörden entsteht eine doppelte Steuerschuld, resultierend aus der vorzeitig erstellten Rechnung und der verspäteten Lieferung bzw. Bezahlung (unberechtigter USt-Ausweis).
Urteil des Wojewodschaftlichen Verwaltungsgerichts in Warschau – III SA/Wa 742/19
Das Verwaltungsgericht entschied, dass durch eine vorzeitig erstellte Rechnung keine doppelte Steuerschuld entsteht. Eine Korrektur der Rechnung ist nicht notwendig.
Der vorliegende Fall betraf ein Unternehmen der Automobilindustrie, das Autos in Polen an Privatpersonen und Leasinggesellschaften veräußert. Rechnungen wurden in der Regel 30 Tage vor der Auslieferung des Fahrzeugs ausgestellt, diese Frist konnte jedoch nicht immer eingehalten werden. Der Streit mit den Steuerbehörden drehte sich um die Frage, ob die Gesellschaft bei verspäteter Abnahme des Fahrzeugs durch den Kunden (mehr als 30 Tage ab Rechnungsstellung) tatsächlich nach Art. 108 des polnischen USt-Gesetztes verpflichtet ist, die Umsatzsteuer, die sich aus der vorzeitig erstellten Rechnung ergibt, zu bezahlen (als sog. unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer) und dann eine Rechnungskorrektur vorzunehmen. Art. 108 des polnischen USt-Gesetztes lautet wie folgt: „Stellen eine juristische Person, eine Organisationseinheit ohne Rechtspersönlichkeit oder eine natürliche Person eine Rechnung aus, in der ein Steuerbetrag ausgewiesen wird, so sind sie zu dessen Zahlung verpflichtet“.
Argumentation der beiden Parteien
Die Gesellschaft war der Meinung, dass Art. 108 nur diejenigen Rechnungen betrifft, die die tatsächliche Durchführung der Transaktion nicht dokumentieren, wohingegen die von der Gesellschaft erstellten Rechnungen tatsächliche Ereignisse darstellen, die erst in der Zukunft eintreten werden. Es bestehe kein Risiko für die Staatskasse, da die Rechnungen erst zu dem Zeitpunkt abgerechnet werden, an dem die Steuerpflicht entsteht (in diesem Fall Zeitpunkt der Lieferung oder Bezahlung der Rechnung).
Der Leiter der Nationalen Finanzverwaltung entschied jedoch, dass der Steuerpflichtige entweder die Rechnung korrigieren oder die Umsatzsteuer zahlen muss, wenn die Lieferung nicht innerhalb der 30-tägigen Frist erfolgt.
Begründung des Wojewodschaftlichen Verwaltungsgerichts
Das Gericht stimmte mit der Meinung des Leiters der Nationalen Finanzverwaltung nicht überein. Im vorliegenden Fall ist Art. 108 des polnischen Umsatzsteuergesetzes nicht anwendbar, da die tatsächliche Lieferung erfolgt. Die Rechnung ist somit nicht als eine Rechnung unberechtigt ausgewiesener Umsatzsteuer anzusehen, weil sie das tatsächliche Ereignis dokumentiert, obwohl das Unternehmen den Beleg zu früh ausgestellt hat. Ebenso wurde die Notwendigkeit der Rechnungskorrektur in Frage gestellt. Sollte die Rechnung richtig erstellt worden sein, besteht kein Bedarf, diese zu korrigieren, da die Verspätung einer Lieferung lediglich die Änderung des Lieferdatums verursacht. Das Urteil III SA/Wa 742/19 ist nicht rechtskräftig und der Fall wird höchstwahrscheinlich vom Obersten Verwaltungsgericht entschieden.
Ein ähnliches Urteil wurde vom Wojewodschaftlichen Verwaltungsgericht in Rzeszów im Januar 2019 gefällt (I SA/Rz 1130/18). In diesem Fall forderte der Geschäftspartner die Rechnungsausstellung vor der Anzahlung. Wie zwischen den Parteien vereinbart, war die Zahlung innerhalb von 30 Tagen nach Ausstellung der Anzahlungsrechnung zu leisten. Es gab jedoch Situationen, in denen es zur Verspätung bei der Bezahlung kam, was zur Überschreitung der 30-tägigen Frist führte. Das Gericht bestätigte, dass der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht bei der Anzahlung nicht vom Datum der Rechnungsstellung abhängt. Der Kunde sollte eine solche Rechnung lediglich als Zahlungsaufforderung betrachten. Das Urteil I SA/Rz 1130/18 ist rechtskräftig.
Es ist zu beachten, dass die beiden Fälle nur individuelle Anliegen betreffen. Daher werden diese Urteile nicht immer anwendbar sein.
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