Das Urteil C-446/18 des Europäischen Gerichtshofes
Am 14.05.2020 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass das Finanzamt nach Beginn einer Kontrolle der strittigen Erstattungsbeträge das Recht hat, bis zum Ende der Kontrolle den von der Prüfung nicht betroffenen Überschuss des Vorsteuerguthabens einzubehalten. Den übrigen Betrag der Rückerstattung darf das Finanzamt nur dann auszahlen, wenn sicher feststeht, dass die Höhe des Vorsteuerguthabens nicht mehr geändert wird.
Streit mit dem tschechischen Finanzamt
Der vorliegende Fall betraf die tschechische Gesellschaft Agrobet, die sich u.a. mit dem Verkauf von Rapsöl an polnische Kunden beschäftigt. Die Gesellschaft reichte einen Antrag auf Erstattung des Vorsteuerguthabens ein, die Steuerbehörde stellte jedoch den Vorsteuerabzug aus manchen Rechnungen in Frage und wollte die USt-Abrechnungen des Steuerpflichtigen im Hinblick auf einen möglichen Steuerbetrug kontrollieren. Zweifel bestanden sowohl beim angewandten Steuersatz als auch bei sog. „fiktiven Transaktionen“. Diese entstanden aus der Tatsache, dass Rapsöl aus Polen ohne weitere Verarbeitung in der Tschechischen Republik gehandelt und dann von Agrobet erneut an Empfänger in Polen verkauft wurde. In diesem Fall dürfte die Gesellschaft die Vorsteuer aus den Einkäufen nicht in Abzug bringen und den Steuersatz in Höhe von 0% für innergemeinschaftliche Lieferungen nicht anwenden.
Aufgrund der o.g. Zweifel wurde die korrekte Höhe der Umsatzsteuer für die betreffenden Zeiträume nicht ermittelt und der berechnete Überschuss der Vorsteuer über die fällige Steuer nicht erstattet. Zu diesem Zeitpunkt bot die Fa. Agrobet an, den strittigen Teil der Mehrwertsteuer zurückzulegen, damit der unstrittige Teil des Vorsteuerguthabens bestimmt und erstattet werden könnte. Die Steuerverwaltung nahm diesen Vorschlag nicht an, da der Überschuss der Vorsteuer über die fällige Steuer ihrer Ansicht nach unteilbar ist und sich auf die gesamte Steuerperiode und nicht nur auf einen Teil der steuerpflichtigen Transaktionen bezieht.
Der tschechische Oberste Verwaltungsgerichtshof fragte den Europäischen Gerichtshof, ob die Zahlung eines Teils des Steuerüberschusses von der Beendigung des Verfahrens in Bezug auf alle steuerpflichtigen Transaktionen in einem bestimmten Abrechnungszeitraum abhängig gemacht werden kann.
Begründung des Urteils C-446/18
Der Europäische Gerichtshof wies darauf hin, dass seitens des vorlegenden Verwaltungsgerichts geprüft werden sollte, ob die Steuerbehörden den unstrittigen Betrag des Vorsteuerguthabens anhand der vom Steuerpflichtigen vorgelegten Beweise eindeutig bestimmen können. Wenn sich der Steuerpflichtige im Rahmen des Steuerprüfungsverfahrens auf das Bestehen eines unbestrittenen Teils des Vorsteuerüberschusses beruft, ist das Finanzamt verpflichtet, nur diesen Teil des Vorsteuerguthabens zu erstatten oder zu übertragen, der sich klar, eindeutig und unabhängig vom Ergebnis der durchgeführten Kontrolle in Bezug auf die ganze Abrechnungsperiode bestimmen lässt.
Bei der Vorgehensweise der tschechischen Steuerbehörde stellte der Europäische Gerichthof keine Unstimmigkeiten mit der EU-Richtlinie fest. Wenn das Finanzamt nicht feststellen kann, ob ein Teil des Vorsteuerguthabens unstrittig ist, hat es das Recht, das Geld bis zum Ende des Prüfungsverfahrens zurückzuhalten. Der unstrittige Betrag des Vorsteuerguthabens kann dem Steuerpflichtigen ausbezahlt werden, wenn das Finanzamt sicher ist, dass der Betrag der Rückerstattung nicht mehr geändert wird.
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