Probleme von Steuerzahlern, die unbewusst in Steuerbetrug verwickelt sind

Unternehmer können selbst bei gründlicher und sorgfältiger Überprüfung ihrer Auftragnehmer nicht feststellen, ob diese in Steuerbetrug verwickelt sind. Wenn der Unternehmer Waren von einem Vertragspartner kauft, der in einen Steuerbetrug verwickelt ist, stellen die Steuerbehörden das Recht des Unternehmers auf Vorsteuerabzug in Frage.

In der Regel ist der Gerichtshof der Europäischen Union für Steuerfragen zuständig. Jedoch ist in diesem Jahr ein außergewöhnliches Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu diesem Themenbereich erschienen.

The European Court of Human Rights

Sachverhalt

Euromak Metal DOO war eine mazedonische Familiengesellschaft mit beschränkter Haftung. Das Unternehmen handelte mit Metallschrott, kaufte Aluminium, Kupfer, Eisenabfälle usw. Die Gesellschaft war ein USt-Pflichtiger, gab regelmäßig USt-Erklärungen ab und regulierte ihre Steuerschulden.

Im Zuge von Kontrollen, die die mazedonischen Steuerbehörden bei den Auftragnehmern der Gesellschaft durchführten, wurde festgestellt, dass einige von ihnen die USt nicht entrichteten oder aus den an die Gesellschaft ausgestellten Rechnungen überhaupt keine USt auswiesen. Die Steuerbehörden erklärten daher, dass die Gesellschaft die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht erfülle und kein Recht habe, diese abzusetzen. Darüber hinaus sei die Gesellschaft zur Zahlung der abgezogenen USt zuzüglich Zinsen verpflichtet.

Der Unternehmer legte gegen die Entscheidungen der Steuerbehörden beim Finanzminister und anschließend bei beiden Verwaltungsgerichten Rechtsmittel ein. In allen Fällen wurde der Gesellschaft das Recht auf Vorsteuerabzug abgesprochen.

Euromak Metal DOO reicht eine Beschwerde beim Gerichtshof ein

Euromak Metal DOO beanstandete nach Art. 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (nachfolgend „Konvention“), dass ihr das Recht auf Steuerabzug von den Steuerbehörden entzogen wurde, weil ihre Lieferanten Steuerverpflichtungen nicht erfüllt hatten. Die Gesellschaft hingegen ist ihren Steuerverpflichtungen vollständig nachgekommen.

Obwohl die Gesellschaft alle Steuern rechtmäßig gezahlt hatte, wurden ihr die zusätzlichen Steuern auferlegt. Euromak Metal DOO hielt alle Steuerverpflichtungen ein und hatte keine Möglichkeit, seine Auftragnehmer zu überprüfen und sie zu beeinflussen. Nach Meinung der Gesellschaft war der Zugriff auf ihr Vermögen gesetzwidrig und die verhängte Strafe unverhältnismäßig.

Nach Ansicht der mazedonischen Regierung  war die Gesellschaft  für den Steuerbetrug ihrer Lieferanten mitverantwortlich, da sie die von den Lieferanten ausgestellten Rechnungen nicht angezweifelt und konsequent verwendet hatte.

Standpunkt des Gerichtshofs

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied, dass Mazedonien gegen Art. 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur Konvention verstoßen hat. Demnach hat jede natürliche oder juristische Person das Recht auf freie Nutzung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz und nach allgemeinen Prinzipien des internationalen Rechts vorgesehen sind.

Obwohl das Eigentumsrecht nach Art. 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur Konvention das Recht eines Staates, die Zahlung von Steuern zu regeln, nicht verletzen kann, muss der Staat ein „gerechtes Gleichgewicht” zwischen dem Schutz der Interessen der Gemeinschaft und dem Schutz der Rechte des Einzelnen aufrechterhalten. Zusätzlich zitierte der Gerichtshof das Urteil Bulves AD gegen Bulgarien vom 22.01.2009 (Aktenzeichen 3991/03), das zu einem ähnlichen Sachverhalt ergangen ist. Das Urteil betraf das Recht auf freie Nutzung von Eigentum.

Nach Auffassung des Gerichtshofs war der Eingriff in das Eigentumsrecht nicht verhältnismäßig, weil der Gesellschaft nicht bewusst war und sie nicht wissen konnte, ob Lieferanten ihre Umsatzsteuerverpflichtungen erfüllen. Der Gesellschaft wurde nicht vorgeworfen, an diesem USt-Betrug  teilgenommen zu haben.  Unter diesen Umständen bestehen keine Gründe dafür, dass die Gesellschaft die Folgen des Verhaltens ihres Auftragnehmers tragen muss.

Zusammenfassung

Das obige Gerichtsurteil – obwohl nur in diesem besonderen Fall verbindlich – gilt auch für Steuerzahler aus anderen Ländern einschließlich EU-Mitgliedstaaten.

Dieses Urteil ist besonders wichtig, weil z.B. die polnischen Steuerbehörden ebenso wie die mazedonischen Verwaltungsgerichte festgestellt haben, dass Steuerpflichtige, die sich unabsichtlich an einem Steuerbetrug beteiligt haben, die USt zu erstatten haben. Sowohl die polnischen Steuerbehörden als auch die mazedonischen Verwaltungsgerichte entziehen also den Steuerpflichtigen, die bei der Prüfung von Vertragsparteien keine Sorgfalt angewendet haben, das Recht auf USt-Erstattung.

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