Bedeutung der festen Niederlassung

Der Begriff „feste Niederlassung“ ist u.a. von Bedeutung in Bezug auf die Bestimmung des Dienstleistungsortes. Laut Art. 44 der Richtlinie 2006/112/EG gilt als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an einer festen Niederlassung des Steuerpflichtigen erbracht, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung.

In welchem Land ein Unternehmen die USt bezahlt, ist im Geschäftsleben wichtig, da die USt-Sätze von Land zu Land unterschiedlich sind. Daher ist es kaum verwunderlich, dass Unternehmer aus Ländern, in denen die USt-Sätze relativ niedrig sind und die in anderen Ländern investieren, höhere USt-Sätze vermeiden wollen. Dies ist aber nicht einfach, denn die Vorschriften bezüglich der Definition der festen Niederlassung lassen viel Raum für Interpretation.

Country Manager

Definition der festen Niederlassung

Gemäß Art. 11 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 gilt nämlich als „feste Niederlassung“ jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden.

Hintergrund

Mit der Problematik beschäftigte sich kürzlich das Oberste Verwaltungsgericht im Urteil I FSK 1777/17 vom 22.07.2020, in dem der folgende Sachverhalt dargestellt wurde:

Ein maltesisches Unternehmen beschäftigt sich mit dem Vertrieb von Arzneimitteln. Gegenwärtig erwägt die Gesellschaft die Erweiterung ihres Tätigkeitsbereichs durch die Aufnahme des Vertriebs von Arzneimitteln in Polen. Das Unternehmen hätte dabei kein Eigentumsrecht an technischer Ausrüstung in Polen und würde dort weder Mitarbeiter beschäftigen noch dauerhaft nach Polen entsenden. Alle Managemententscheidungen würden in Malta getroffen.

Die Firma charakterisierte die Art und Weise, wie sie den Vertrieb von Arzneimitteln in Polen zu organisieren plant, wie folgt:

  • im Bereich der Lagerung der Waren – die maltesische Firma plant, mit einem Dienstleister eine Vereinbarung über die Erbringung von Lagerdienstleistungen zu schließen, in der sich dieser zur Lagerung der Waren in Polen verpflichtet. Der Dienstleister wäre auch zur Ausgabe der Waren an die polnischen Käufer sowie zur Erbringung anderer Dienstleistungen (z.B. Abwicklung von Werbekampagnen, Beratungstätigkeiten usw.) verpflichtet.
  • im Bereich Werbung und Marketing – das Unternehmen beabsichtigt, mit einem anderen Dienstleister zusammenzuarbeiten, der Leistungen wie z.B. Werbung auf dem polnischen Markt, umfassende Dienstleistungen für den Markteintritt, Organisation von wissenschaftlichen Konferenzen unter Beteiligung von Ärzten, Durchführung von Bildungs- und Informationsaktivitäten und Beratungsdienste an die maltesische Gesellschaft erbringen würde.
  • im Bereich der vollständigen Buchführung – die Firma plant, einen weiteren Dienstleister diesbezügliche Aktivitäten durchführen zu lassen.

Das Unternehmen wies auf die Möglichkeit hin, einen sog. „Country Manager“ zu ernennen, der als unabhängige Einheit die folgenden Dienstleistungen erbringen würde:

  • Beratung und Leitung der Organisation des Unternehmens und seiner Tochtergesellschaften, um die Erreichung der strategischen und finanziellen Ziele zu gewährleisten,
  • Sicherstellung der Planung und Entwicklung der notwendigen Ressourcen zur Aufrechterhaltung der Geschäftsergebnisse,
  • aktive Gestaltung des Wertes der Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften,
  • proaktives Handeln zur Beeinflussung des äußeren lokalen Umfelds in Übereinstimmung mit den globalen Strategien der Gesellschaft,
  • Berichterstattung.

Ansicht des Obersten Verwaltungsgerichts

Das Oberste Verwaltungsgericht stellte fest, dass die beschriebene Organisationsstruktur des Arzneimittelvertriebs in Polen zweifellos darauf hinweist, dass sie die Voraussetzungen für eine vollständige Organisation in allen für die Durchführung solcher Tätigkeiten relevanten Aspekten erfüllt. Alle genannten Aktivitäten bilden ein kohärentes Ganzes mit allen notwendigen Elementen für die wirksame Durchführung des Arzneimittelvertriebs in Polen. Nach Ansicht des Obersten Verwaltungsgerichts ist bei der Beurteilung einer festen Einrichtung die Schaffung eines Minimums an technischen und personellen Einrichtungen auf der Grundlage einer zweiten Einheit akzeptabel. Ferner hätte nach Auffassung des Obersten Verwaltungsgerichts die maltesische Gesellschaft ohne die beschriebene organisatorische, technische und geschäftliche Struktur in Polen – unter ausschließlicher Nutzung der Infrastruktur in Malta – ihre Tätigkeit im beschriebenen Umfang nicht fortsetzen können.

Die Rolle des „Country Managers“

Das Gericht betonte in diesem Zusammenhang die besondere Rolle der hier „Country Manager“ genannten Person, zu deren Zuständigkeitsbereich Aspekte der Überwachung und Kontrolle gehören. Nach Auffassung des Gerichts vereint der „Country Manager“ im beschriebenen Fall die Tätigkeiten einzelner Dienstleister in ähnlicher Weise wie ein Manager in Wirtschaftseinheiten. Daraus folgt, dass mit Aufnahme des Vertriebs von Arzneimitteln in Polen eine feste Niederlassung entstehen würde.

Dann gälte Polen als Ort der Dienstleistungen, die von den Dienstleistern an diese feste Niederlassung erbracht würden. In einem solchen Fall müssten polnische Dienstleister ihre Rechnungen mit Ausweis der polnischen Umsatzsteuer ausstellen.

Zusammenfassung

Es gilt zu betonen, dass dieses Urteil einen konkreten Fall betrifft. Daher ist immer im Einzelfall – am besten im Rahmen einer individuellen Steuerauskunft von den Steuerbehörden – zu prüfen, ob eine feste Niederlassung vorliegt. Wird ein „Country Manager“ eingestellt, erhöht dies das Risiko, dass die Steuerbehörden von einer festen Niederlassung ausgehen.

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