Forderungsabschreibung nach den polnischen USt-Vorschriften

Die Forderungsabschreibung betrifft eine Berichtigung der Bemessungsgrundlage und der Umsatzsteuer, wenn die Uneinbringlichkeit einer Forderung glaubhaft gemacht worden ist. Diese gilt dann als glaubhaft, wenn die Forderung innerhalb von 90 Tagen nach dem Tag des Ablaufs ihrer im Vertrag oder in der Rechnung bestimmten Zahlungsfrist weder beglichen noch in irgendeiner Form veräußert worden ist. Die Berichtigung betrifft auch die Bemessungsgrundlage und den Steuerbetrag, der auf den Teil des Betrages der Forderung entfällt, deren Uneinbringlichkeit glaubhaft gemacht worden ist.

Um die Berichtigung vorzunehmen, müssen nach Art. 89a des polnischen USt-Gesetzes mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, so z.B. der Status des aktiven Steuerpflichtigen sowohl des Gläubigers als auch des Schuldners zum Vortag der Berichtigung sowie kein laufendes Umstrukturierungsverfahren beim Schuldner. Die Voraussetzungen, die die Berichtigung ermöglichen, wurden von uns detailliert im folgenden Artikel dargestellt – link.

Zweifel an der Vereinbarkeit der polnischen Vorschriften mit den EU-Vorschriften

Es bestanden jedoch Zweifel, ob die oben erwähnten Bedingungen mit der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem konform sind. Eine polnische Steuerberatungsgesellschaft, die von ihrem Kunden keine Zahlung für die erbrachten Leistungen erhielt, focht die Rechtmäßigkeit der polnischen Vorschriften bzgl. der Forderungsabschreibung an. Der Sachverhalt wurde zunächst von polnischen Verwaltungsgerichten betrachtet, schließlich jedoch vom polnischen Obersten Verwaltungsgerichtshof an den Europäischen Gerichtshof gerichtet. Der Antrag an den EuGH enthielt die Frage, ob die Steuerberatungsgesellschaft die Berichtigung vornehmen durfte, obwohl der Schuldner kurz nach Erwerb der Dienstleistung das Liquidationsverfahren eröffnet hatte.

In dieser Rechtssache (C‑335/19) gab die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs, Juliane Kokott, am 04.06.2020 ein Gutachten heraus, in dem sie feststellte, dass Ihrer Meinung nach die in Art. 89a des polnischen USt-Gesetzes aufgeführten Bedingungen zu restriktiv seien und weder mit den EU-Vorschriften noch der EU-Rechtsprechung in Einklang stünden (das Gutachten der Generalanwältin wurde von uns bereits erwähnt – link).

Forderungsabschreibung

Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Der Europäische Gerichtshof erkannte im Urteil vom 15.10.2020 zur Rechtssache C‑335/19, dass die polnischen Regelungen zur Forderungsabschreibung dem EU-Recht entgegenstehen. Im Urteil stellte der EuGH fest, dass weder der steuerliche Status von Gläubiger und Schuldner noch ein laufendes Umstrukturierungs- bzw. Liquidationsverfahren des Schuldners eine Bedeutung bei der Anwendung der Berichtigung haben.

Auswirkungen des Urteils

Im Zusammenhang mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs wird nun die Novellierung des polnischen USt-Gesetzes erwartet. Dessen ungeachtet werden Steuerpflichtige, die für erbrachte Lieferungen bzw. Dienstleistungen keine Gegenleistung erhielten, dieses Urteil zum Anlass nehmen, die Erstattung der Umsatzsteuer zu beantragen.

Klageeinreichung – die Zeit läuft!

Die zu ergreifenden Maßnahmen hängen u.a. davon ab, ob der Gläubiger bereits vor dem Urteil die Forderungsabschreibung veranlasst hat. Hat der Gläubiger die Forderungsabschreibung vorgenommen, aber eine negative Entscheidung von einer Finanzbehörde oder einem Verwaltungsgericht erhalten und ist diese bereits rechtskräftig geworden, muss er die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen.

Im Fall einer Entscheidung, die von einer Finanzbehörde erteilt wurde, hat der Gläubiger nur einen Monat, gerechnet ab dem Datum der Veröffentlichung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs im Amtsblatt (7.12.2020), um das Verfahren wieder aufzunehmen (Art. 241 § 2 Pkt 2 der polnischen Abgabenordnung). Somit läuft die Frist schon am 7. Januar 2021 ab.

Gläubigern, die ablehnende Urteile von Verwaltungsgerichten erhalten haben, bleibt nur die Wiederaufnahme in Form eines Verwaltungsgerichtsverfahrens. Hier gilt eine dreimonatige Frist gemäß Art. 272 § 3 der polnischen Verwaltungsgerichtsordnung, die am 8. März 2021 abläuft.

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