Am 12.11.2020 erließ der EuGH zwei Urteile zu ähnlichen Sachverhalten, in denen es um das Recht auf Vorsteuerabzug bei gescheiterten Investitionen ging. Die Schlussfolgerungen der beiden Urteile scheinen jedoch unterschiedlich zu sein, somit bleibt das Thema umstritten.

Unklare Vorschriften zum Vorsteuerabzug bei gescheiterten Investitionen

Nach dem polnischen USt-Gesetz sind Steuerpflichtige berechtigt, den Vorsteuerbetrag vom Betrag der geschuldeten Steuer abzuziehen, vorausgesetzt, dass die erworbenen Leistungen zur Ausführung steuerbarer Umsätze verwendet werden. Die polnischen USt-Vorschriften regeln aber nicht eindeutig, ob das Recht auf Vorsteuerabzug bei Ausgaben für eine gescheiterte Investition erhalten bleibt.

Sachverhalt

Das Urteil C-42/19 betraf eine Gesellschaft, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Beratungsleistungen erwarb, die aus Marktforschung für den geplanten Erwerb von Anteilen an einem Telekommunikationsbetreiber bestanden. Die Vorsteuer für den Erwerb der Beratungsleistungen wurde von der Firma abgezogen. Das Unternehmen beabsichtigte, nach der Übernahme des Telekommunikationsbetreibers, steuerpflichtige Verwaltungsdienstleistungen an den Telekommunikationsbetreiber, seine Tochtergesellschaft, zu erbringen. Letztlich kam diese Übernahme nicht zustande, somit wurden die Verwaltungsdienstleistungen an den Telekommunikationsbetreiber nicht ausgeführt und keine steuerbaren Umsätze getätigt.

Das Urteil C-734/19 betraf eine Gesellschaft, die zwei Bauprojekte durchführen sollte. Zu diesem Zweck kaufte sie Grundstücke, auf denen sie ein Bürogebäude und ein Einkaufszentrum errichten und anschließend vermieten wollte. Die Vorsteuer für den Erwerb der Grundstücke hat die Firma abgezogen. Unter anderem aufgrund der 2008 eingetretenen Wirtschaftskrise wurden die beiden Bauprojekte aufgegeben, somit kam die Vermietung nicht zustande, wodurch das Unternehmen  keine steuerbaren Umsätze ausgeführt hat.

Urteil des EuGH – Entscheidung und Begründung

In beiden Fällen hat der EuGH entschieden, dass die Gesellschaften trotz gescheiterten Investitionen das Recht auf Vorsteuerabzug beibehielten.

Zur Begründung des Urteils C-42/19 erinnerte der Gerichtshof daran, dass das Mehrwertsteuersystem der EU die Neutralität der Steuer für jegliche Wirtschaftstätigkeit unabhängig von deren Zweck oder Ergebnis gewährleistet, sofern die Wirtschaftstätigkeit selbst steuerpflichtig ist. Das Gericht wies darauf hin, dass der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer im Hinblick auf die finanzielle Belastung eines Unternehmens voraussetzt, dass das Entstehen der ersten Investitionskosten für die Bedürfnisse und Zwecke des Unternehmens als Wirtschaftstätigkeit anzusehen ist, und dass es diesem Grundsatz widerspräche, wenn diese Wirtschaftstätigkeit erst mit dem Entstehen steuerpflichtiger Einnahmen beginnen würde.

Im Urteil C-734/19 betonte das Gericht, dass der Status eines Steuerpflichtigen, sobald die Steuerbehörde diesen auf der Grundlage der von dem betreffenden Unternehmen erteilten Auskünfte akzeptiert hat, grundsätzlich nicht rückwirkend aufgrund des Eintretens oder Nichteintretens bestimmter Ereignisse (abgesehen von Betrug oder Missbrauch) entzogen werden könne. Das Gericht stellte zudem fest, dass es nicht Aufgabe der Steuerbehörde sei, die Legitimität der Gründe zu beurteilen, die den Steuerpflichtigen zur Einstellung der ursprünglich geplanten wirtschaftlichen Tätigkeit veranlasst haben. Das Recht auf Vorsteuerabzug bleibe bestehen, wenn ursprünglich geplante Investitionsvorhaben aufgrund von Umständen, die sich dem Einfluss des Steuerpflichtigen entziehen, aufgegeben würden, und wenn der Steuerpflichtige weiterhin beabsichtige, die betreffenden Gegenstände für die Zwecke seiner steuerpflichtigen Tätigkeiten zu verwenden.

Würde der Steuerpflichtige die betreffenden Gegenstände nicht für die Zwecke seiner künftigen steuerpflichtigen Tätigkeiten verwenden, weil er z.B. kein Geld für weitere Investitionen hätte, scheint es, als ob das Recht auf Vorsteuerabzug erlöschen könnte.

Fazit

Der EuGH erließ am selben Tag zwei Urteile zu ähnlichen Sachverhalten, jedoch mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Somit bleibt das Thema umstritten.

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