Unter Berücksichtigung der Urteile des EuGH Nr. C-235/18 vom 2019 (Vega International) und Nr. C-185/01 vom 2003 (Auto Lease Holland BV) hat der polnische Finanzminister am 15.02.2021 die allgemeine Auslegung Nr. PT9.8101.3.2020 zur Qualifizierung der Leistung bei der Nutzung von Tankkarten herausgegeben. In der Auslegung nennt der Finanzminister vier Bedingungen, deren kumulative Erfüllung dazu führt, dass ein Vermittler, der die Tankkarten ausgibt, keine Warenlieferung sondern eine Dienstleistung an seine Kunden ausführt. Die o.g. vier Bedingungen lauten wie folgt:
- Der Kunde erwirbt Waren (Kraftstoff) direkt beim Anbieter (Tankstelle);
- Allein der Kunde entscheidet über die Art und Weise des Kraftstoffkaufs (d.h. er kann den Ort frei wählen), über die Menge, die Qualität, sowie über den Zeitpunkt des Kaufs und den Verwendungszweck;
- Der Kunde trägt – unter Ausschluss des Vermittlers – sämtliche mit dem Erwerb des Kraftstoffs verbundenen Kosten;
- Die Tätigkeit des Vermittlers beschränkt sich auf die Zurverfügungstellung eines finanziellen Instruments, das dem Kunden den Warenerwerb ermöglicht.
Bei Erfüllung der oben genannten Bedingungen stellt die Tätigkeit des Vermittlers, d.h. die Bereitstellung von Tankkarten, eine Dienstleistung dar. Der Vermittler, der über den Kraftstoff nicht als Eigentümer verfügt, ist somit zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen, die er von Tankstellen erhält, nicht berechtigt.
Die allgemeine Auslegung gilt für das Drei-Parteien-Tankkarten-Transaktionsmodell (Tankstellenbetreiber – Vermittler der Tankkarten zur Verfügung stellt – Kraftstoffempfänger der Tankkarten benutzt). Jeder Sachverhalt sollte jedoch gesondert analysiert werden, wobei insbesondere die Art und die Umstände der Transaktionen zwischen Unternehmen zu berücksichtigen sind.
Bei der Analyse eines Geschäftsmodells sollte vor allem die vierte Bedingung der allgemeinen Auslegung berücksichtigt werden, d. h. der tatsächliche Umfang der Tätigkeit des Vermittlers und deren Einfluss auf wesentliche Elemente der Transaktion, z.B. ob:
- der Vermittler Einfluss auf den Kraftstoffpreis hat, zu dem sein Kunde ihn letztendlich erwirbt;
- der Vermittler für mangelhafte Lieferungen bzw. Reklamation haftet;
- der Vermittler in bestimmten Situationen die Weiterlieferung an seinen Kunden einstellen kann.
Die Bestimmungen der allgemeinen Auslegung und das damit verbundene Risiko, das Recht auf Vorsteuerabzug aus von Tankstellenbetreibern an den Vermittler ausgestellten Rechnungen zu verlieren, sollten insbesondere bei der Bereitstellung von Tankkarten innerhalb von Kapitalgruppen überprüft werden.
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Allgemeine Auslegungen sind keine Rechtsquelle, ihr Zweck ist die einheitliche Anwendung des Steuerrechts. Aus formaler Sicht sind allgemeine Auslegungen für die Steuerbehörden nicht bindend. In der Praxis wird jedoch, in Einzelfällen die vom Finanzminister vorgenommene Interpretation von Steuervorschriften berücksichtigt.
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