Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte erneut in einem Vorabentscheidungsverfahren über Reihengeschäfte zu entscheiden. Um festzustellen, welche Transaktion bei einem Reihengeschäft als innergemeinschaftliche und welche als inländische Transaktion anerkannt werden sollte, sind die Steuerbehörden verpflichtet, mehrere Aspekte zu untersuchen. Einer von Ihnen ist der Zeitpunkt, zu dem das Recht, über die Ware wie ein Eigentümer zu verfügen, übertragen wird.
Hintergrund
Der Europäische Gerichtshof hat sich zu einer Gesellschaft (X) mit Sitz in Lettland geäußert, die von Februar bis Dezember 2012 Waren einer anderen Gesellschaft (Y) mit Sitz in Lettland erworben und für diese Umsätze einen Vorsteuerabzug geltend gemacht hatte.
Bei einer Steuerprüfung stellte das regionale Verwaltungsgericht in Lettland fest, dass diese Erwerbe am Ende einer Reihe aufeinanderfolgender Umsätze zwischen mehreren Gesellschaften getätigt worden sind. Die betreffenden Waren waren nämlich zunächst von einer Gesellschaft (Z) mit Sitz in Litauen an weitere Gesellschaften mit Sitz in Lettland verkauft worden, anschließend an Gesellschaft (Y) und von dieser schließlich an Gesellschaft (X), die die letzte [besser ganz ohne Substantiv!]in der Reihe war und die den Transport der Waren von Litauen zu ihrer Fabrik in Lettland organisierte.
Das regionale Verwaltungsgericht in Lettland vertrat den Standpunkt, dass es keine logische Erklärung für eine solche Umsatzreihe finden könne, weil die Zwischengesellschaften in Wirklichkeit keine Tätigkeit beim Erwerb der fraglichen Waren ausgeübt hätten. Das Gericht kam daher zu dem Ergebnis, dass der letzte Unternehmer in der Reihe (X) die fraglichen Waren in Wirklichkeit direkt vom ersten Unternehmer in der Reihe (Z) in Litauen erworben hat, und stufte die fraglichen Erwerbe als „innergemeinschaftliche Erwerbe“ ein. Infolgedessen sollten die betreffenden Waren nicht als inländische, sondern als innergemeinschaftliche Erwerbe anerkannt werden. Somit kann der lettische Unternehmer (hier X) keine Vorsteuer vom Betrag der geschuldeten Steuer abziehen, da die ausgestellten Rechnungen die tatsächliche Transaktion nicht widerspiegeln.
Gesellschaft (X) erhob gegen diesen Bescheid Klage, wobei sie vorbrachte, alle formalen und materiellen Voraussetzungen für das Recht auf Vorsteuerabzug erfüllt zu haben. Außerdem betonte sie, dass sie aus den getätigten Transaktionen keinen Steuervorteil gezogen habe. Selbst wenn der Erwerb der fraglichen Waren unmittelbar von (Z) erfolgt wäre, wäre (X) berechtigt, die beim innergemeinschaftlichen Erwerb angefallene Vorsteuer abzuziehen.
Der Fall kam schließlich vor den Obersten Gerichtshof in Lettland, der entschied, die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Urteil des Gerichtshofs
Der Gerichtshof stellte sich auf die Seite der Gesellschaft (X). Er stellte fest, dass die lettischen Gerichte kein Recht hatten, das Recht auf Vorsteuerabzug zu verweigern. Es ist unerheblich, dass an der Transaktion mehrere Unternehmen beteiligt waren und dass (X) als letzter Unternehmer in der Reihe die betreffende Ware aus dem Lager eines anderen an der Reihe beteiligten als des auf der Rechnung als Lieferant angegebenen Unternehmens erworben hat.
In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass eine Ware nicht unmittelbar vom Rechnungsaussteller übergeben wurde, nicht notwendigerweise die Folge einer missbräuchlichen Praxis darstellt, sondern andere Gründe haben kann, z. B. das Vorliegen zweier aufeinanderfolgender Verkäufe derselben Ware, die auf Anweisung unmittelbar vom ersten Verkäufer zum zweiten Erwerber befördert werden, so dass zwei aufeinanderfolgende Lieferungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der MwSt.-Richtlinie vorliegen, aber nur eine tatsächliche Beförderung stattfindet. Außerdem ist es nicht erforderlich, dass der erste Erwerber zum Zeitpunkt dieser Beförderung Eigentümer der betreffenden Ware geworden ist, da eine Lieferung im Sinne dieser Bestimmung nicht voraussetzt, dass das Eigentum an der Ware übergeht.
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