Hintergrund
Im Urteil I FSK 494/17 vom 17.04.2019 des Obersten Verwaltungsgerichts wurde der folgende Sachverhalt dargestellt:
Eine Gesellschaft schloss am 2.03.2012 einen Vertrag für den Zeitraum von 16.04.2012 bis 15.04.2016 mit einer Behörde der staatlichen Verwaltung in Polen. Im Rahmen des Vertrags wurden mehrere Leistungen erbracht, deren Ziel die Instandhaltung einer Autobahn war. In den Jahren 2012 bis 2013 war die Auslegung der polnischen USt-Vorschriften und die Praxis der Steuerbehörden so, bei solchen Leistungen jede Leistung getrennt mit dem entsprechenden USt-Satz von 8% oder 23% zu besteuern; die Gesellschaft rechnete ihre Leistungen folglich mit dem entsprechenden USt-Satz von 8% und 23% ab. Diese Vorgehensweise wurde auch seitens der Steuerbehörden während einer USt-Kontrolle für April 2012 bestätigt, bei der keine Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden.
Änderung des Standpunktes der Steuerbehörden
Die Auslegung der Vorschriften änderte sich erst im Jahre 2014. Ab diesem Zeitpunkt argumentierten die Steuerbehörden, dass solche Leistungen Teile einer komplexen Leistung sind, die in der Instandhaltung einer Autobahn besteht, welche dem USt-Satz von 23% unterliegt. Die Gesellschaft rechnete jedoch die USt für ihre Leistungen genauso wie früher ab, d.h. sie wandte bei jeder Leistung den entsprechenden USt-Satz von 8% oder 23% an, weil dies in dem im Jahre 2012 geschlossenen Vertrag vereinbart wurde. Die Steuerbehörden beanstandeten die Korrektheit der USt-Abrechnung vom April 2015 und beriefen sich dabei auf die geänderte Auslegung der USt-Vorschriften. Sie stellten die USt-Abrechnung der Gesellschaft in Frage und forderten die Nachzahlung der USt (den Unterschied zwischen dem angewandten Satz von 8% und dem korrekten von 23%).
Was bedeutet der Grundsatz des Vertrauens in die Steuerbehörden?
Das Oberste Verwaltungsgericht stellte fest, dass die von der Gesellschaft erbrachte Leistung (Instandhaltung einer Autobahn) als komplexe Leistung zu betrachten ist, daher soll sie grundsätzlich dem USt-Satz von 23% unterliegen. Gleichzeitig berief sich das Gericht auf Art. 121 §1 der polnischen Abgabenordnung, d.h auf den Grundsatz des Vertrauens in die Steuerbehörden. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Gesellschaft den Vertrag unter Berücksichtigung der damaligen ständigen Auslegung der polnischen USt-Vorschriften und der Praxis der Steuerbehörden schloss, daher war sie zurecht der Überzeugung, dass sie nicht verpflichtet war, den USt-Satz von 23% beim Verkauf aller erbrachten Leistungen anzuwenden. Daher dürfen die Steuerbehörden von der Gesellschaft keine USt-Nachzahlung verlangen.
Fazit
Man kann zwar noch nicht von einer ständigen Rechtsprechung sprechen, das oben erwähnte Urteil über den Grundsatz des Vertrauens in die Steuerbehörden wird allerdings hilfreich für die Steuerpflichtigen sein, die langfristige Projekte realisieren, bei denen das Risiko besteht, dass die Steuerbehörden ihren Standpunkt in Bezug auf die USt-Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen ändern.
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