Was genau ist Crowdfunding?
Der Begriff Crowdfunding stammt aus dem Englischen und besteht aus zwei Wörtern: der Crowd und dem Funding. Ins Deutsche übersetzt bedeutet „Crowd“ Menge und „Funding“ Finanzierung. Als deutsches Synonym wird in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung „Schwarmfinanzierung“ oder „Gruppenfinanzierung“ verwendet.
Crowdfunding ist eine verhältnismäßig neue Form der Finanzierung, die zur Finanzierung von Projekten, Produkten, Start-ups usw. verwendet werden kann. Das Besondere am Crowdfunding besteht darin, dass eine große Anzahl von Menschen – die Crowd – ein Projekt finanziell unterstützt und so bei dessen Umsetzung hilft. Crowdfunding-Projekte werden über das Internet organisiert. In den meisten Fällen gibt es einen vordefinierten Mindestbetrag (eine Förderschwelle), der innerhalb eines bestimmten Zeitraums erreicht werden muss, damit das Projekt umgesetzt werden kann. Wird die angestrebte Summe nicht erreicht, erhalten die Investoren ihr Geld zurück. Falls es der Crowd gelingt, ein Projekt zu finanzieren, erhalten die Unterstützer in der Regel eine Gegenleistung vom Projektinitiator, die die unterschiedlichsten Formen annehmen kann.
Schilderung des Sachverhaltes
In der individuellen Steuerauskunft Nr. 0114-KDIP1-3.4012.395.2020.4.JG vom 12.10.2020 wurde der folgende Sachverhalt dargestellt:
Der Antragsteller ist ein polnischer Steueransässiger, der in Polen als unbeschränkt steuerpflichtig gilt und Massenfinanzierungsaktionen über ein Internetportal organisiert. Das Unternehmen bietet den Geldgebern Finanzvermittlungsdienste an, indem es ihnen ermöglicht, im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne Geld zu überweisen. Im Rahmen dieser Finanzierungsaktion organisiert das Unternehmen zudem einen Wettbewerb unter den Spendern, bei dem der Gewinner für die richtige Beantwortung einer Wettbewerbsfrage einen Sachpreis, wie z.B. ein Auto, Autozubehör, Elektronik, elektronische Geräte, einen Motorroller, ein Motorrad oder wahlweise einen Geldpreis erhält. Als Organisator des Wettbewerbs ist das Unternehmen für die Auswahl des Preisträgers sowie für die Vorbereitung und Veröffentlichung des Bildmaterials zur Preisverleihung auf dem Portal verantwortlich. Über ein auf der Webseite eröffnetes Konto kann der Geldgeber Spenden überweisen, indem er einen Wettbewerbscoupon – einen sogenannten „Baustein“ – kauft. Die daraus resultierenden Finanzmittel sind zur Stiftung eines Sachpreises für den Gewinner gedacht. Das Unternehmen organisiert Wettbewerbe mit dem Ziel, Gewinne zu erzielen, sein eigenes Geschäft zu bewerben sowie karitative Aktivitäten zu unterstützen und zu fördern.
Im Rahmen der individuellen Steuerinformationen fragte der Unternehmer bei den polnischen Behörden an, ob der von den Geldgebern erhaltene Geldbetrag, der zur Finanzierung des Wettbewerbspreises und für wohltätige Zwecke gedacht ist, der Umsatzsteuer unterliegt.
Nach Auffassung des Unternehmens ist dieser Betrag gemäß Art. 19a Abs. 8 des Umsatzsteuergesetzes nicht steuerpflichtig.
Standpunkt des Leiters der Nationalen Finanzauskunft
Die Steuerbehörde bestätigte diese Auffassung. Gemäß Art. 19a Abs. 8 des USt-Gesetzes entsteht, wenn vor Lieferung einer Ware oder Erbringung einer Dienstleistung eine Zahlung, insbesondere eine Vorauszahlung, Anzahlung, ein Vorschuss, eine Rate, eine Bau- oder Wohnungseinlage vor der Begründung des genossenschaftlichen Eigentumsrechts an einer Wohnung oder an einem für andere Zwecke bestimmten Raum ganz oder teilweise in Empfang genommen wurde, die Steuerpflicht im Bezug auf den erhaltenen Betrag zum Zeitpunkt des Erhalts dieser Zahlung, vorbehaltlich Abs. 5 Ziff. 4. Im vorliegenden Fall stellten die von der Gesellschaft erhaltenen Mittel keine Vorauszahlung bzw. Anzahlung im Sinne von Art. 19a Abs. 8 des Gesetzes dar, da sie nicht mit einer bestimmten Ware/Dienstleistung in Zusammenhang stehen.
Darüber hinaus sei die Auszahlung von Spenden über die Crowdfunding-Plattform nur an den Wunsch geknüpft, das Projekt zu unterstützen, und könne (müsse aber nicht) in der Zukunft mit der Entgegennahme eines Preises verbunden sein. Zum Zeitpunkt der Zahlung sei das potenzielle Zielprodukt nicht präzise genug, um diese Zahlung als Vorschuss auf den Preis der Ware zu betrachten. Der Geldgeber kenne außerdem zum Zeitpunkt der Zahlung den genauen Verwendungszweck (Preis, Spende) nicht, und schließlich gäbe es keine Gewinngarantie.
Der Leiter der Nationalen Finanzauskunft verwies auch auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Basierend auf dem Urteil des EuGH vom 21. Februar 2006 in der Rechtssache C-419/02, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein, damit die Zahlung künftiger Leistungen als Vorauszahlung betrachtet werden kann:
- die Zahlung muss sich auf eine bestimmte Transaktion beziehen,
- die Konkretisierung der künftigen Leistung muss hinreichend genau sein, um ihre steuerliche Behandlung bestimmen zu können,
- zum Zeitpunkt der Erbringung der Vorauszahlung haben die Parteien keine Absicht, die Leistung in der Zukunft zu ändern.
Infolgedessen muss das Unternehmen aufgrund des Erhalts von Spenden von den Geldgebern, die zur Finanzierung des Wettbewerbspreises und für wohltätige Zwecke gedacht sind, der Steuerpflicht gemäß Art. 19a Abs. 8 des Gesetzes nicht nachkommen, da die Mittel zum Zeitpunkt des Erhalts der Spenden keine Vorauszahlung bzw. Anzahlung für die Lieferung eines bestimmten Produkts darstellen.
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