Schilderung des Sachverhaltes

In der individuellen Steuerauskunft Nr. IPPP3/4512-775/15-5/JŻ vom 30. November 2015 wurde der folgende Sachverhalt dargestellt: Das Unternehmen ist eine Einrichtung deutschen Rechts mit Rechtspersönlichkeit. Es gehört zu einer internationalen Kapitalgruppe, die Partner bei der Produktion von Fahrzeugen und Maschinen ist.

Ansässig in Deutschland betätigt sich der Antragsteller als Anbieter von hydraulischer Verbindungstechnik im Sektor Maschinenbau. Im Rahmen der Zusammenarbeit schloss das deutsche Unternehmen einen unbefristeten Kooperationsvertrag mit einem polnischen Produktionsunternehmen derselben Gruppe ab, auf dessen Grundlage es die polnische Firma mit Materialien und der notwendigen in ihrem Eigentum stehenden Ausrüstung beliefert. Das polnische Unternehmen erbringt dann Dienstleistungen zur Veredelung der gelieferten Materialien. Diese umfassen die Montage von Komponenten, die Lagerung gelieferter Waren zur Veredelung und der Fertigprodukte bis zu ihrer termingerechten Lieferung an das deutsche Unternehmen. Das Unternehmen erbringt weder Dienstleistungen noch liefert es Waren auf dem Hoheitsgebiet Polens.

In Polen kauft das deutsche Unternehmen die Wartungs- und Montageleistungen seiner eigenen Anlagen, die sich vorübergehend auf dem Hoheitsgebiet Polens befinden. Die dem polnischen Unternehmen anvertrauten Materialien und die daraus hergestellten Fertigprodukte sind Eigentum der deutschen Firma. Das Recht, wie ein Eigentümer über die Gegenstände zu verfügen, geht zu keinem Zeitpunkt auf das polnische Unternehmen über. Auf dem Hoheitsgebiet Polens besitzt das deutsche Unternehmen kein eigenes Lager. Fertigprodukte werden vor dem Verlassen Polens in einem Lagerhaus gelagert, bis sie ausgeführt werden. Das Lager, in dem die Fertigwaren gelagert werden, bleibt Eigentum des polnischen Unternehmens, das von dem deutschen Unternehmen mit Montageleistungen beauftragt wird. Nach der Veredelung kehren die Waren nach Deutschland zurück, wo sie für geschäftliche Zwecke verwendet werden.

feste Niederlassung

In Polen beschäftigt das deutsche Unternehmen nur einen Mitarbeiter, der sich mit der Suche nach neuen Kunden, der Marktanalyse und der Vertretung des Unternehmens bei Messen befasst. Alle übrigen Tätigkeiten, die in Polen im Rahmen der für das deutsche Unternehmen erbrachten Dienstleistungen unternommen werden, werden von den Mitarbeitern des polnischen Unternehmens ausgeführt. Alle strategischen Entscheidungen im Vertriebsprozess werden durch den Vorstand und berechtigte Mitarbeiter in Deutschland getroffen.

Einerseits war das deutsche Unternehmen der Ansicht, dass es keine technische Ausrüstung oder Infrastruktur besitzt und begründete dies damit, dass die technischen Ressourcen nur befristet und an die im Kooperationsvertrag vorgesehenen Ziele angepasst seien. Andererseits gab die deutsche Firma in dem Antrag an, Ausrüstung  (Schränke, Lagerregale etc.) zur ordnungsgemäßen Lagerung der dem polnischen Unternehmen übertragenen Komponenten sowie Büromaterialien für ihren Mitarbeiter zu kaufen.

Aufgrund des dargestellten Sachverhalts vertrat das deutsche Unternehmen die Auffassung, keine feste Niederlassung in Polen zu besitzen und deshalb die betreffende Dienstleistung nicht in Polen besteuern zu müssen.

Standpunkt der Steuerbehörden

Die Steuerbehörde urteilte, dass das Unternehmen eine feste Niederlassung in Polen besitze, die sich durch ausreichende Beständigkeit und eine angemessene Struktur in Bezug auf personelle und technische Ressourcen auszeichne. Laut Steuerbehörde ergibt sich im vorliegenden Fall das Kriterium der Beständigkeit aus der unbefristeten Beteiligung der deutschen Firma an den mit der Veredelung ihrer Materialien verbundenen Tätigkeiten.

Ferner betonte die Steuerbehörde, dass es nicht zwingend notwendig sei, über eigenes Personal und eigene technische Ressourcen zu verfügen, um eine feste Niederlassung in einem bestimmten Land zu besitzen,  vorausgesetzt, die Verfügbarkeit anderer Ressourcen sei mit der Verfügbarkeit der eigenen vergleichbar.  Da der Antragsteller jedoch nach eigenen Angaben  Ausrüstung und Büromaterialien kauft sowie einen Mitarbeiter beschäftigt, verfügt er  über eigene personelle und technische Ressourcen.

Nach Ansicht der Steuerbehörde sei anzumerken, dass das deutsche Unternehmen eine polnische Firma einschließlich ihrer Mitarbeiter mit der Bewirtschaftung der Lagerflächen beauftrage, wo die gelieferten Materialien veredelt werden. Im vorliegenden Fall stehen dem Steuerpflichtigen solche Ressourcen zur Verfügung, .

Laut Steuerbehörde verfügt der Steuerpflichtige über die zur Ausübung seiner Geschäftstätigkeit erforderlichen Personalressourcen in Form von Mitarbeitern des Dienstleisters, die das Lager betreiben und die Leistungen für ihn erbringen.

Erfüllt ist nach Ansicht der Steuerbehörde auch das Kriterium der engen Verbindung zwischen der personellen und technischen Infrastruktur und der Ausübung der umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeiten, die für eine feste Niederlassung des Antragstellers maßgeblich sind.

Der Steuerpflichtige legte Klage beim Wojewodschaftlichen Verwaltungsgericht in Warschau ein, in der er die Aufhebung der Entscheidungen der Steuerbehörde beantragte. Das Gericht gab der Beschwerde nicht statt.

Standpunkt der Verwaltungsgerichte beider Instanzen

Der Streit mit der Steuerbehörde wurde durch Urteile von Verwaltungsgerichten beider Instanzen zum Nachteil des Steuerzahlers beigelegt (Urteil des Wojewodschaftlichen Verwaltungsgerichts in Warschau vom 23. März 2017 Nr.: III SA/Wa 1033/16 und des Obersten Verwaltungsgerichts vom 26. Februar 2020 Nr.: I FSK 1313/17).

Im Mittelpunkt des Steuerstreits stand die Frage, ob das Unternehmen mit Sitz in Deutschland nach dem beschriebenen Sachverhalt eine feste Niederlassung in Polen besitzt.

Das Gericht erster Instanz verwies u.a. auf die Bestimmungen des Rechts der Europäischen Union und die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Gemäß Art. 11 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 gilt als „feste Niederlassung“ jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden. Basierend auf Pkt. 54 des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 28. Juni 2007 in der Rechtssache C-73/06 verlangt der Niederlassungsbegriff einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand.

Deswegen urteilte das Verwaltungsgericht, dass das Unternehmen im vorliegenden Fall über eine Struktur mit einem hinreichenden Grad an Beständigkeit verfügt. Diese Tätigkeit wird ständig (sich wiederholend und ununterbrochen) durchgeführt. Der Vertrag zwischen den Parteien ist auf unbestimmte Zeit geschlossen, was die Dauerhaftigkeit bestätigt. Das Gericht wies darauf hin, dass es unerheblich ist, dass das über einen Lagerraum sowie personelle und technische Ressourcen in Polen verfügende Unternehmen ein polnisches zur Gruppe gehörendes Unternehmen ist. Entscheidend ist, dass es die deutsche Firma ist, die die Lager der polnischen Firma nutzt, wo die polnische Produktionsfirma die Komponenten zusammenbaut und dann die fertigen Materialien lagert. Die Verfügbarkeit der von dem deutschen Unternehmen genutzten Einrichtungen ist daher mit der Verfügbarkeit seiner eigenen Einrichtungen vergleichbar. Folglich besteht eine angemessene Struktur in Bezug auf personelle und technische Ressourcen; somit besitzt das Unternehmen eine feste Niederlassung in Polen.

Das Oberste Verwaltungsgericht teilte die Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts und wies die Kassationsbeschwerde des Unternehmens ab.

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