Allgemeine Regelung
Das Begriffsverständnis einer festen Niederlassung ergibt sich vor allem aus den Bestimmungen der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011, deren Erlass die korrekte Anwendung der Umsatzsteuerrichtlinie zum Ziel hat. Gemäß Art 11 MwSt-DVO liegt eine feste Niederlassung vor, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: Das Vorliegen eines hinreichenden Grads an Beständigkeit und einer Struktur, die es dieser Niederlassung hinsichtlich der personellen und technischen Ausstattung erlaubt, Dienstleistungen zu erbringen bzw. zu empfangen.
Schilderung des Sachverhaltes
Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein polnisches Unternehmen, das mit einem deutschen Unternehmen einen Lagervertrag hat. Beide Unternehmen sind miteinander verbunden; das deutsche Unternehmen, das online Ersatzteile für Autos und Motorräder vertreibt, hält 90 % der Anteile an dem polnischen Unternehmen. Das polnische Unternehmen lagert die Ersatzteile, bereitet sie für den Versand vor und verschickt sie. Es bearbeitet Kundenbestellungen, nimmt auch Rücksendungen entgegen und überwacht laufend das Lagersortiment.
Zur Bearbeitung der Aufträge nutzt das polnische Unternehmen ein IT-System, das dem deutschen Unternehmen gehört. Das deutsche Unternehmen stellt auch die Verpackungen bereit.
Im Rahmen des Vertrags hat das deutsche Unternehmen ständigen Zugang zu den Waren und kann deren Menge und Zustand, Lagerbedingungen usw. kontrollieren. Das deutsche Unternehmen beschäftigt selbst keine Arbeitnehmer in Polen, und die Entscheidungen über die Geschäftstätigkeit in Polen werden in der Zentrale in Deutschland getroffen.
Es stellt sich die Frage, ob das deutsche Unternehmen daher eine ständige Niederlassung in Polen hat. In diesem Fall müssten die von dem polnischen Unternehmen erbrachten Dienstleistungen in Polen besteuert werden.
Das polnische Unternehmen vertrat die Auffassung, dass es für diese Dienstleistungen keine Umsatzsteuer zahlen müsse, da das deutsche Unternehmen keine feste Niederlassung in Polen habe. Als Argument wurde der Mangel an Personal und technischen Einrichtungen angeführt.
Standpunkt der Steuerbehörde
Die Steuerbehörde hielt den Standpunkt des Unternehmens jedoch für falsch.
Die Behörde begründete ihre Auslegung in der individuellen Steuerauskunft damit, dass es ausreichend sei, dass das deutsche Unternehmen die tatsächliche Verfügungsmacht über die technischen und personellen Einrichtungen in Polen besitzt und diese für den Vertrieb seiner Waren zweckmäßig nutzen kann.
Das Wojewodschaftliche Verwaltungsgericht in Szczecin stimmte dem zu (Aktenzeichen I SA/Sz 915/19). Es entschied, dass das deutsche Unternehmen über ausreichende technische und personelle Ausstattung verfüge, um in Polen tätig zu sein.
Das Gericht wies darauf hin, dass das polnische Unternehmen unter strenger Aufsicht des deutschen Unternehmens funktioniere, das sich das Recht vorbehalten habe, die Menge und den Zustand der gelagerten Waren zu kontrollieren und den Zugang zu ihnen zu gewährleisten. Damit habe das deutsche Unternehmen die tatsächliche Verfügungsgewalt über die technischen und personellen Einrichtungen und könne diese im Rahmen seiner Tätigkeit der Lagerung, des Umschlags und des Verkaufs von Waren in angemessener Weise verwenden.
Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts
Das Oberste Verwaltungsgericht war anderer Meinung und hob sowohl das Urteil des Wojewodschaftlichen Verwaltungsgerichts als auch die Auslegung der Steuerbehörde auf. In seiner Begründung erinnerte der Richter daran, dass sich der Begriff der festen Niederlassung aus Artikel 11 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates ergibt.
Es reiche nicht aus, festzustellen, dass das deutsche Unternehmen in Polen über eine angemessene Struktur in Bezug auf Personal und technische Einrichtungen verfüge und es sei auch unklar, warum die Behörde festgestellt habe, dass dies hier der Fall sei.
Erforderlich seien Dienstleistungs- oder Mietverträge über Personal und technische Ausstattung, aus denen hervorgeht, dass diese Einrichtungen dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehen, als wären es seine eigenen.
Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung wird hingegen herangezogen, um festzustellen, ob ein ausländischer Dienstleistungsempfänger inländische Dienstleistungen durch seine feste Niederlassung und für seine eigenen Zwecke erwirbt.
Es komme nicht nur darauf an, dass es sich um eine feste Niederlassung im Sinne einer technischen und personellen Infrastruktur handelt, sondern auch darauf, dass die bezogenen Leistungen am Ort dieser festen Niederlassung, in diesem Fall in Polen, genutzt werden.
Nach Ansicht des Gerichts wurde bei der Auslegung übersehen, was sich aus Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung ergibt, nämlich dass das ausländische Unternehmen auch Nutzer der Dienstleistungen am ständigen Geschäftssitz sein muss. Die Nutzung der erworbenen Dienstleistungen müsste also in Polen stattfinden.
Von einer festen Niederlassung des ausländischen Dienstleistungsempfängers könne keine Rede sein, wenn dieselben personellen und technischen Einrichtungen, die das inländische Unternehmen dem ausländischen Unternehmen zur Verfügung stellt, auch die Einrichtungen darstellen, mit denen das inländische Unternehmen die Dienstleistungen für das ausländische Unternehmen erbringt. Das bedeutet, dass Personal und technische Einrichtungen nicht gleichzeitig für die Erbringung und den Empfang der gleichen Dienstleistungen eingesetzt werden können.
Das Oberste Verwaltungsgericht teilte die Ansicht des Unternehmens, wonach das deutsche Unternehmen keine feste Niederlassung in Polen besitzt.
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