Besitz einer Rechnung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug
Gemäß Art. 86 Abs. 2 Pkt. 1 des polnischen USt-Gesetzes gilt als Vorsteuerbetrag u.a. die Summe der Steuerbeträge, die sich aus den vom Steuerpflichtigen erhaltenen Rechnungen für
- den Erwerb von Waren und Dienstleistungen oder
- die Leistung einer gesamten Zahlung oder ihres Teils vor dem Erwerb einer Ware bzw. der Erbringung einer Dienstleistung
ergibt.
Im Hinblick auf die oben genannte Vorschrift sollte man davon ausgehen, dass der Steuerpflichtige die Vorsteuer nur auf der Grundlage von Rechnungen abziehen darf, die er tatsächlich besitzt.
Was passiert beim Verlust der Rechnung?
Bei einer im Dezember 2010 durchgeführten Steuerkontrolle stellte sich heraus, dass ein Steuerpflichtiger die Buchungsbelege für den geprüften Abrechnungszeitraum nicht besaß, da diese Unterlagen durch ein Hochwasser im gleichen Jahr vernichtet worden waren. Der Steuerpflichtige erklärte, dass er sich mit Geschäftspartnern in Verbindung gesetzt habe, um die Duplikate der verlorenen Rechnungen einzuholen. Es sei jedoch nicht möglich gewesen, alle Dokumente zu vervollständigen.
In dieser Situation entschied das Finanzamt, dass der Steuerpflichtige kein Recht auf Vorsteuerabzug habe, da er zum Zeitpunkt der Steuerkontrolle nicht im Besitz der Rechnungen oder zumindest ihrer Duplikate war.
Das Anliegen wurde an das Wojewodschaftliche Verwaltungsgericht in Krakau verwiesen, das entschied, dass die Steuerbehörde das Recht hatte, den Vorsteuerabzug in Frage zu stellen. Dabei spiele es keine Rolle, dass der Steuerpflichtige zum Abrechnungszeitpunkt der Vorsteuer in manchen Fällen über die Originalrechnungen verfügte. Das Gericht war der Meinung, dass der Steuerpflichtige diese Rechnungen nicht nur zum Abrechnungszeitpunkt, sondern bis zum Ablauf der Verjährungsfrist für die Steuerpflicht besitzen müsse. Eine solche Begründung könnte bedeuten, dass allein das Fehlen einer Rechnung oder ihres Duplikats zum Zeitpunkt der Steuerprüfung ausreicht, um das Recht auf Vorsteuerabzug zu verweigern.
Berufung vor dem Obersten Verwaltungsgericht
Das Oberste Verwaltungsgericht in Warschau hob am 17.02.2022 die Urteile des Wojewodschaftlichen Verwaltungsgerichts in Krakau auf. Nach Ansicht des Gerichts kann übertriebener Formalismus seitens der Steuerbörden das Recht auf Vorsteuerabzug nicht in Frage stellen, vorausgesetzt, dass die materiellen Bedingungen für den Vorsteuerabzug erfüllt wurden. Dies bedeutet:
- Der Erwerber muss ein Steuerpflichtiger im Sinne der EU-Richtlinie sein.
- Die Waren oder Dienstleistungen, aus deren Erwerb sich die Vorsteuer ergibt, werden vom Steuerpflichtigen in seiner Wirtschaftstätigkeit verwendet.
- Diese Waren oder Dienstleistungen werden von einem anderen Steuerpflichtigen bereitgestellt.
Die Steuerbehörden sollten in jedem Fall prüfen, ob die Gründe für die Nichtvorlage der Unterlagen tatsächlich zutreffen und sich der Steuerpflichtige um deren Beschaffung bemüht hat. Die Urteile I FSK 564/18 und I FSK 1007/18 vom 17.02.2022 des Obersten Verwaltungsgericht sind rechtskräftig.
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