Bedeutung der „festen Niederlassung“
Der Begriff „feste Niederlassung“, den man wechselweise mit „umsatzsteuerliche Betriebsstätte“ verwenden kann, ist u.a. von Bedeutung in Bezug auf die Bestimmung eines Ortes, an dem eine Dienstleistung erbracht wurde. Laut Art. 44 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gilt als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an einer festen Niederlassung des Steuerpflichtigen erbracht, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung.
Da die feste Niederlassung in den Vorschriften der erwähnten Richtlinie nicht definiert wurde, muss man in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem nachschlagen. Gemäß Art. 11 der Durchführungsverordnung gilt als „feste Niederlassung“ jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden.
Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
Mit dem Problem der festen Niederlassung beschäftigte sich das Wojewodschaftliche Verwaltungsgericht in Wrocław. Ein polnisches Unternehmen hatte mit einem südkoreanischen Unternehmen einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen in Form der Montage von Leiterplatten geschlossen. Mit der Lieferung aller zur Verarbeitung notwendigen Materialien und Komponenten an das polnische Unternehmen wurde eine polnische Tochtergesellschaft des südkoreanischen Unternehmens beauftragt. Nach der ausgeführten Montage war das polnische Unternehmen verpflichtet, ihr die Waren zurückzugeben.
Das polnische Unternehmen stellte dem südkoreanischen Unternehmen die Montage von Leiterplatten in Rechnung, wobei es der Auffassung war, dass diese Dienstleistungen im polnischen Hoheitsgebiet nicht der Umsatzsteuer unterlägen. Das südkoreanische Unternehmen hatte versichert, dass es keine feste Niederlassung in Polen unterhalte und im polnischen Hoheitsgebiet keine Arbeitnehmer beschäftige oder Immobilien oder technische Ausstattung besitze.
Die polnische Steuerbehörde war jedoch der Auffassung, dass die durch das polnische Unternehmen erbrachten Montagedienstleistungen mit polnischer Umsatzsteuer zu belegen sind, weil die polnische Tochtergesellschaft eine feste Niederlassung des südkoreanischen Unternehmens in Polen sei. Daher forderte die Steuerbehörde die Zahlung dieser Steuer.
Eine Tochtergesellschaft ist nicht automatisch eine feste Niederlassung
Der Europäische Gerichtshof urteilte in der Rechtssache C‑547/18, dass der vorrangige Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Ortes der Dienstleistungserbringung aus steuerlicher Sicht der Ort ist, an dem der Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Die Richter betonten, dass die Berücksichtigung einer festen Niederlassung des Steuerpflichtigen eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel darstellt.
Nach Auffassung des Gerichtshofs ist die Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Dies bedeutet, dass eine Tochtergesellschaft durchaus eine feste Niederlassung ihrer Muttergesellschaft darstellen kann, eine solche Einstufung aber von der Erfüllung der materiellen Voraussetzungen abhängt.
Dass eine Gesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat eine feste Niederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, kann von einem Dienstleistungserbringer nicht aus dem bloßen Umstand hergeleitet werden, dass diese Gesellschaft dort eine Tochtergesellschaft besitzt. Darüber hinaus besteht keinerlei Verpflichtung, für die Zwecke einer solchen Beurteilung die vertraglichen Beziehungen zwischen den beiden Gesellschaften zu prüfen.
Im Allgemeinen prüft der Dienstleistungserbringer die Art und Verwendung der erbrachten Dienstleistung, um festzustellen, ob der Dienstleistungsempfänger eine feste Niederlassung besitzt. Ist dies nicht ausreichend, so prüft er insbesondere, ob der Vertrag, der Bestellschein und die vom Mitgliedstaat des Dienstleistungsempfängers vergebene und ihm mitgeteilte Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer die feste Niederlassung als Dienstleistungsempfänger ausweisen und ob diese die Dienstleistung bezahlt.
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