Recht auf Vorsteuerabzug
Um die Vorsteuer aus einer Rechnung abziehen zu können, müssen zwei Bedingungen erfüllt werden. Erstens muss der Erwerber die Rechnung erhalten. Zweitens muss die USt-Pflicht bestehen, d.h. es muss grundsätzlich eine Leistungserbringung oder Warenlieferung erfolgt sein. Art. 7 Abs. 1 des polnischen USt-Gesetzes definiert „Warenlieferung“ als Übertragung des Rechts, als Eigentümer über die Waren zu verfügen. Es kommt allerdings vor, dass sowohl Steuerbehörden als auch Steuerpflichtige diese Definition anders verstehen, was Auswirkungen auf die USt-Abrechnungen der Steuerpflichtigen hat. So war es im Fall, der im Urteil I FSK 2072/19 vom 13.05.2020 des Obersten Verwaltungsgerichts beschrieben wurde.
Hintergrund
Im Urteil I FSK 2072/19 vom 13.05.2020 des Obersten Verwaltungsgerichts wurde der folgende Sachverhalt dargestellt:
Eine Gesellschaft erwarb Grundstücke vom Staat. Der Kaufvertrag wurde in Form einer notariellen Urkunde abgeschlossen. Für diesen Erwerb erhielt die Gesellschaft Rechnungen mit der polnischen USt und zog die Vorsteuer aus diesen Rechnungen ab. Dem Unternehmen waren aber zu diesem Zeitpunkt die Grundstücke nicht übergeben worden. Im Rahmen einer Steuerkontrolle beanstandeten die Steuerbehörden den Abzug der Vorsteuer aus diesen Rechnungen, weil ihrer Meinung nach die Gesellschaft kein Recht hatte, über die erworbenen Grundstücke wirtschaftlich zu verfügen; somit habe keine Warenlieferung im Sinne des Art. 7 Abs. 1 des polnischen USt-Gesetzes stattgefunden. Daher waren die Steuerbehörden der Ansicht, dass der Firma kein Recht auf Vorsteuerabzug zustand.
Ansicht des Obersten Verwaltungsgerichts – die notarielle Urkunde ist entscheidend
Das Oberste Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Käufer durch die Ausstellung der notariellen Urkunde zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das Recht erlangt habe, über die erworbenen Grundstücke wirtschaftlich zu verfügen. Somit sei die Lieferung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 des polnischen USt-Gesetzes erfolgt, auch ohne physische Freigabe der Grundstücke.
Abweichender Standpunkt
In der Vergangenheit vertraten aber die Steuerbehörden und Gerichte eine andere Meinung in dieser Frage (individuelle Steuerauskünfte 0111-KDIB3-1.4012.484.2018.1.BW vom 14.08.2018 und ILPP1/4512-1-693/15-2/HW vom 02.12.2015, Urteil I FSK 846/12 vom 25.04.2013 des Obersten Verwaltungsgerichts und Urteil III SA/Wa 1326/11 vom 17.01.2012 des Wojewodschaftlichen Verwaltungsgerichts in Warschau). Die Analyse dieser Steuerauskünfte und Urteile führt zu der Schlussfolgerung, dass die Steuerpflicht zum Zeitpunkt der physischen Freigabe der Ware an den Erwerber erfolgt. Im Einklang mit diesem Ansatz hätte die Gesellschaft im vorliegenden Fall kein Recht auf Vorsteuerabzug.
Zusammenfassung
Es gilt zu betonen, dass dieses Urteil einen konkreten Fall betrifft. Daher ist immer im Einzelfall zu prüfen, ob dem Erwerber das Recht auf Vorsteuerabzug zusteht. Das oben erwähnte Urteil wird aber sicherlich hilfreich für die Steuerpflichtigen sein, denen Immobilien physisch nicht übergeben wurden, obwohl ihr Erwerb durch eine notarielle Urkunde bestätigt wurde. Unseres Erachtens ist aber das Urteil I FSK 2072/19 nicht völlig konform mit dem polnischen USt-Gesetz.
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