Korrektur der sog. Scheinrechnungen gemäß den polnischen USt-Vorschriften

Gemäß Art. 108 Abs. 1 des polnischen USt-Gesetzes ist ein Steuerpflichtiger, der eine Rechnung ausstellt, in der ein USt-Betrag ausgewiesen ist, verpflichtet, diesen an das Finanzamt abzuführen. Diese Vorschrift wird allerdings auch angewandt, wenn:

  • aus der Transaktion, die durch die betreffende Rechnung dokumentiert ist, keine Steuerpflicht entstanden ist oder die Transaktion von der Umsatzsteuer befreit war, oder
  • die von der Rechnung erfasste Transaktion überhaupt nicht stattgefunden hat.

Die Ausstellung einer sog. Scheinrechnung verpflichtet daher zur Zahlung der in der betreffenden Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer. Darüber hinaus ist die Korrektur von Scheinrechnungen nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich (siehe unseren Blogartikel Die Korrektur von Scheinrechnungen ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich – TAX BENEFIT BLOG).

Gemäß Art. 81b Abs. 1 der Abgabenordnung ist das Recht des Steuerpflichtigen, seine Steuerabrechnungen zu korrigieren, zum Zeitpunkt der Einleitung einer Steuerprüfung in dem von der Prüfung erfassten Umfang ausgeschlossen (suspendiert).

Schilderung des Sachverhaltes

Die Rechtssache betraf eine Gesellschaft mit Sitz in Litauen, die litauischen Transportunternehmen Tankkarten zur Verfügung stellte, welche es diesen Unternehmen ermöglichten, sich bei bestimmten Tankstellen in Polen mit Kraftstoff zu versorgen. Da die Gesellschaft der Ansicht war, ihre Geschäftstätigkeit bestehe darin, Kraftstoff von polnischen Tankstellen zu erwerben, um ihn anschließend mittels Tankkarten an litauische Transportunternehmen weiterzuverkaufen, stellte sie Rechnungen über die Lieferung von Kraftstoff an diese Unternehmen aus, in denen sie einen USt‑Betrag auswies.

Der Leiter des Finanzamtes stellte jedoch diese Abrechnung in Frage. Aufgrund der EuGH- Urteile Nr. C-235/18 von 2019 (Vega International) und Nr. C-185/01 von 2003 (Auto Lease Holland BV) stellte die Steuerbehörde fest, dass die Tätigkeit der Gesellschaft eine Finanzdienstleistung darstellt, die nach dem polnischen USt-Gesetz von der Umsatzsteuer befreit ist. Da im Übrigen die von der Gesellschaft ausgestellten Rechnungen nicht den tatsächlichen Ablauf ihrer Tätigkeiten widerspiegelten, war die Steuerbehörde der Ansicht, dass die Gesellschaft kein Recht auf Abzug der in den von den Tankstellen ausgestellten Rechnungen ausgewiesenen Vorsteuer habe. Darüber hinaus war das Unternehmen nach Ansicht der Steuerbehörden gemäß Artikel 108 Abs. 1 des USt-Gesetzes verpflichtet, die in seinen Ausgangsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer zu entrichten. Die Gesellschaft legte gegen die Entscheidungen der Steuerbehörde Berufung ein. Diese wurde jedoch abgewiesen. Allerdings war nach Ansicht des Gerichts nicht bewiesen, dass das Verhalten des Steuerpflichtigen einen Steuerbetrug oder Missbrauch darstellte, so dass der Gesellschaft kein Mangel an gutem Glauben unterstellt werden konnte.

Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass die korrekte Abrechnung dieser Umsätze durch die Beteiligten es den litauischen Transportunternehmen ebenfalls ermöglicht hätte, die Erstattung der in den von den Tankstellen ausgestellten Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer zu verlangen, was zeige, dass die Ausstellung der Rechnungen mit zu Unrecht ausgewiesener Umsatzsteuer keine Gefährdung des Steueraufkommens des Staates darstelle.

Diese Erwägungen bestärkten das Gericht in der Ansicht, dass der Gesellschaft die Möglichkeit gegeben werden sollte, diese Rechnungen zu korrigieren. Da die polnischen Rechtsvorschriften jedoch kein solches Verfahren vorsehen, wenn gegen den Betroffenen bereits ein Steuerverfahren eingeleitet wurde, ging der Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Standpunkt des Europäischen Gerichthofs

 Der Europäische Gerichtshof erkannte im Urteil vom 18.03.2021 zur Rechtssache C‑-48/20, dass die polnischen Regelungen, die es einem im guten Glauben handelnden Steuerpflichtigen nicht erlauben, nach Einleitung eines Steuerprüfverfahrens Rechnungen mit unberechtigt ausgewiesener Umsatzsteuer zu berichtigen (obwohl der Empfänger dieser Rechnungen einen Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer gehabt hätte, wenn die Umsätze, die Gegenstand dieser Rechnungen waren, ordnungsgemäß erklärt worden wären), dem EU-Recht entgegenstehen.

 Fazit 

Dieses Urteil könnte u.E. nicht nur für Steuerzahler bedeutend sein, die Probleme mit ausgestellten Rechnungen haben, in denen die Umsatzsteuer unberechtigt ausgewiesen wurde und auf die somit  Art. 108 Abs. 1 UStG anwendbar ist, sondern auch für andere Steuerzahler, denen das Recht auf Berichtigung ihrer USt-Erklärungen infolge von eingeleiteten Steuerprüfungen verweigert wird. Die in dem beschriebenen Urteil präsentierte Auffassung des Europäischen Gerichtshofs kann Steuerzahlern neue Argumente in Streitigkeiten mit Steuerbehörden liefern.

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