Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil (C-396/20) vom 21.10.2021 bestätigt, dass ein VAT-REF-Antrag korrigiert werden kann.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.10.2021
Am 21. Oktober 2021 erließ der Europäische Gerichtshof ein Urteil (Aktenzeichen C-396/20), in dem der folgende Sachverhalt dargestellt wurde:
Die Steuerpflichtige, Fa. CHEP Equipment Pooling, ist eine in der Logistikbranche tätige Gesellschaft belgischen Rechts, die der Mehrwertsteuer unterliegt. Die Firma ist auf den Vertrieb von Paletten spezialisiert. Nachdem sie in Ungarn Paletten erworben hatte, reichte sie am 28. September 2017 als in Belgien Mehrwertsteuerpflichtige bei den ungarischen Behörden einen Antrag auf Erstattung der Vorsteuer ein, die auf zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2016 erworbene Waren und Dienstleistungen angefallen war. Das Unternehmen fügte dem Antrag eine Mehrwertsteueraufstellung bei.
Die Steuerbehörde stellte fest, dass die Aufstellung in einigen Fällen auf Rechnungen verwies, für die die Mehrwertsteuer bereits erstattet worden war. Außerdem waren Unstimmigkeiten zwischen den in dieser Aufstellung aufgeführten Mehrwertsteuerbeträgen und denen in den beigefügten Rechnungen aufgefallen, wobei der Rechnungsbetrag in einigen Fällen niedriger und in anderen Fällen höher war als der in der Aufstellung angegebene.
Die Steuerbehörde lehnte einen Teil der Erstattung ab, weil in dem VAT-REF-Antrag ein niedrigerer Mehrwertsteuerbetrag als in der entsprechenden Rechnung angegeben war. Die Erstattung könne maximal in Höhe des im Erstattungsantrag angegebenen Betrags erfolgen.
Die Entscheidung der Steuerbehörde wurde bestätigt
Die Rechtsbehelfsdirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung bestätigte die Entscheidung der Steuerbehörde erster Instanz. Sie führte aus, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens einen Fehler bezüglich des in ihrem ursprünglichen Erstattungsantrag angegebenen Betrags nicht berichtigen könne, ohne dass diese Berichtigung einen neuen Antrag darstelle. Ein solcher Antrag sei im vorliegenden Fall jedoch ausgeschlossen, da die Ausschlussfrist am 30. September 2017, d. h. zwei Tage nach Eingang des ursprünglichen Antrags, abgelaufen sei. Das Unternehmen erhob daraufhin Klage beim Hauptstädtischen Verwaltungs- und Arbeitsgericht in Budapest.
Standpunkt des Hauptstädtischen Verwaltungs- und Arbeitsgerichts in Budapest
Das Gericht wies die Klage ab. Es führte aus, dass der Anspruch auf Erstattung, die Einleitung des Verfahrens und die Festsetzung des von der Erstattung betroffenen Mehrwertsteuerbetrags vom Steuerpflichtigen selbst abhängig seien. Würde einer Klage wie der von der Gesellschaft erhobenen stattgegeben, würde der Mechanismus des Erstattungsantrags ausgehebelt, da es ausreichen würde, die Rechnungen beizufügen, auf die der Erstattungsanspruch gestützt werde, und die Steuerbehörde – außer in Fällen der Anwendung des Prorata-Satzes – verpflichtet wäre, in jedem Fall die Erstattung des aufgrund der Rechnungen zustehenden Höchstbetrags der Steuer zu bewilligen.
Kassationsbeschwerde
Die Gesellschaft legte Rechtsmittel beim Obersten Gerichtshof in Ungarn ein und machte u. a. geltend, dass das Verwaltungs- und Arbeitsgericht in Budapest gegen den in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 verankerten Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verstoßen habe.
Nach Ansicht des Obersten Gerichts in Ungarn soll die Steuerbehörde in einem solchen Fall zusätzliche Informationen anfordern, da das Bestehen einer solchen Abweichung die Genauigkeit des Antrags selbst in Frage stelle.
Unter diesen Umständen beschloss der Oberste Gerichtshof in Ungarn, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
„Ist Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9 dahin auszulegen, dass auch in dem Fall, in dem der Antrag auf Erstattung und die Rechnung offenkundige buchhalterische Unterschiede zulasten des Steuerpflichtigen aufweisen, ohne dass sich die Frage des Prorata-Satzes stellen würde, der Mitgliedstaat der Erstattung die Auffassung vertreten kann, dass die Anforderung zusätzlicher Informationen nicht erforderlich ist und alle relevanten Informationen für eine Entscheidung über die Erstattung zur Verfügung stehen?“
Fazit
Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs sollte der Steuerpflichtige das Recht haben, den VAT-REF-Antrag zu korrigieren, wenn die Mehrwertsteuererstattung geringer ist, als aus den dem Antrag beigefügten Rechnungen hervorgeht. Als Rechtsgrundlage wurde Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige angegeben. Im Hinblick auf die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der guten Verwaltung sei dieser Artikel so auszulegen, dass VAT-REF-Antrag korrigiert werden kann, wenn in den Rechnungen eine höhere Vorsteuer ausgewiesen wurde.
Das Zweite Finanzamt Warschau Mitte hat grundsätzlich schon früher die Möglichkeit eingeräumt, den VAT-REF-Antrag zu korrigieren. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.10.2021 ist eine zusätzliche Bestätigung der bisherigen Praxis in Polen und bietet eine neue Möglichkeit für Steuerpflichtige in anderen Ländern in Europa, die Vorsteuer in voller Höhe abzuziehen.
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