Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer nach den polnischen USt-Vorschriften

Gemäß Art. 17 Abs. 1 Pkt. 1 des polnischen USt-Gesetzes gelten als Steuerpflichtige juristische Personen, nichtrechtsfähige Organisationseinheiten und natürliche Personen, die zur Zahlung von Zollabgaben bei der Wareneinfuhr verpflichtet sind. Als Zollschuldner, der die Zollabgaben entrichten muss, gilt nach Art. 77 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 9.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union der Anmelder – d.h. der Importeur, der in der entsprechenden Zollmeldung ausgewiesen ist. Der Steuerpflichtige ist grundsätzlich verpflichtet, den Betrag der Einfuhrumsatzsteuer zu berechnen, in der Zollanmeldung anzugeben und zu entrichten.

Laut Art. 86 Abs. 1 des polnischen USt-Gesetzes sind Steuerpflichtige berechtigt, soweit Waren und Dienstleistungen zur Ausführung steuerbarer Umsätze verwendet werden, den Betrag der Vorsteuer vom Betrag der geschuldeten Steuer abzuziehen – im Falle der Wareneinfuhr ergibt sich die Vorsteuer aus der erhaltenen Zollmeldung und dem dort ausgewiesenen Betrag der Einfuhrumsatzsteuer. In der Praxis können Fälle auftreten, in denen als Steuerpflichtiger bei der Wareneinfuhr (Importeur gemäß den Zollvorschriften) ein anderes Subjekt als der Eigentümer der eingeführten Waren gilt, der sie zur Ausführung steuerbarer Umsätze verwendet. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Importeur lediglich Dienstleistungen an den eingeführten Waren erbringt, wodurch das Recht auf Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer infrage gestellt werden kann.

Einfuhrumsatzsteuer

 

Bisherige Rechtsprechung des EuGH zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer

Die Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des EuGH bildete ein Sachverhalt, bei dem ein Unternehmen für den Transport und die Vornahme der Zollmeldung von eingeführten Waren verantwortlich war. Dieses  Transportunternehmen war zwar nicht der Wareneigentümer, gemäß den Vorschriften allerdings zur Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer verpflichtet. Die Steuerbehörden des Mitgliedstaates verweigerten dem Unternehmen jedoch das Recht auf Abzug der gezahlten Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer.

Im Urteil vom 25.06.2015 zu dieser Rechtssache (C‑187/14 DSV Road) wies der EuGH darauf hin, dass die Steuerbehörden des Mitgliedstaates das Recht auf Abzug der gezahlten Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer verweigern dürfen, wenn die eingeführten Waren vom Transportunternehmen nicht zum Zwecke seiner steuerbaren Umsätze verwendet werden. Diese Voraussetzung wäre nur bei der Einrechnung des Preises der eingeführten Waren in den Preis der erbrachten Dienstleistung erfüllt.

Stellungnahmen der polnischen Steuerbehörden zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer

Das oben genannte Urteil des EuGH hat zu einer restriktiven Auffassung der polnischen Steuerbehörden hinsichtlich des Rechts auf Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geführt. Beispielsweise wurde in der individuellen Steuerauskunft des Leiters der nationalen Finanzauskunft 0115-KDIT1-3.4012.822.2018.2.BJ vom 28.01.2019 dem Antragsteller, der lediglich die eingeführten Waren verarbeitete ohne Wareneigentümer zu sein, das Recht auf Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer verweigert. Der Antragsteller hatte die Zollmeldung vorgenommen und dem Eigentümer der Waren nur den Preis seiner Dienstleistung (Verarbeitung der Waren) in Rechnung gestellt.

Nach Ansicht der Steuerbehörde würde in diesem Fall dem Antragsteller das Recht auf Vorsteuerabzug nur dann zustehen, wenn die eingeführten Waren zum Zwecke seiner steuerbaren Umsätze verwendet würden. Diese Voraussetzung wäre nur bei der Einrechnung des Preises der eingeführten Waren in den Preis der erbrachten Dienstleistung erfüllt.

Beschluss des Europäischen Gerichtshofs

Der EuGH hat im Beschluss vom 8.10.2020 zur Rechtssache C‑621/19 Weindel Logistik Service einen ähnlichen Sachverhalt analysiert. Ein Unternehmen mit Sitz in der Slowakei hat im Auftrag eines Dritten (Wareneigentümers) die Wareneinfuhr und die Umverpackung der eingeführten Waren vorgenommen. Als Importeuer war die Firma zur Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer verpflichtet. Dem Wareneigentümer wurde lediglich die Umverpackung der eingeführten Waren in Rechnung gestellt.

Im gegenständlichen Beschluss wies der EuGH darauf hin, dass die MwSt-Richtlinie das Recht auf Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer ausschließt, wenn sich der Wert der eingeführten Waren nicht im Wert (Preis) der vom Steuerpflichtigen vorgenommenen steuerbaren Tätigkeiten wiederfindet.

Da der Wert der eingeführten Waren für das Unternehmen aus der Slowakei keinen Bestandteil des Preises seiner dem Wareneigentümer in Rechnung gestellten Dienstleistung (Umverpackung) darstellte, steht dem Unternehmen nach Auffassung des EuGH kein Recht auf Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer zu.

Auswirkungen des Beschlusses

Die Rechtsprechung des EuGH und die darauf basierenden Stellungnahmen der polnischen Steuerbehörden haben Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit der Unternehmen, die die Wareneinfuhr oder Dienstleistungen an den eingeführten Waren vornehmen. Falls die Wareneinfuhr nicht vom Wareneigentümer sondern von einem Unternehmen vorgenommen wird, für das der Wert der eingeführten Waren im Wert (Preis) seiner steuerbaren Tätigkeiten nicht enthalten ist,  steht das Recht auf Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer niemandem zu – weder dem Importeuer (Anmelder gemäß den Zollvorschriften) noch dem Wareneigentümer, der gemäß den Vorschriften des polnischen USt-Gesetzes nicht als Steuerpflichtiger gilt. Die Angelegenheit gewinnt wegen des Brexits und dem Warenverkehr zwischen Großbritannien und der EU zunehmend an Bedeutung.

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