Sachverhalt

Ein Bauunternehmen aus Spanien hat zwei Verträge abgeschlossen – mit der polnischen Generaldirektion für Nationalstraßen und Autobahnen (GDDKiA) über den Bau einer Umgehungsstraße und mit einer polnischen Gemeinde über den Bau einer Straßenbahnlinie. Die Arbeiten wurden 2013 wegen des Streits zwischen den Vertragsparteien eingestellt. Die Auftraggeber haben einen Teil der Arbeiten nicht abgenommen und die dafür vereinbarte Zahlung verweigert. Der Auftragnehmer beschloss daraufhin, seine Ansprüche im Zivilverfahren einzufordern.

Standpunkt der Steuerbehörden

Infolge einer Steuerkontrolle entschieden die Steuerbehörden beider Instanzen, dass das Bauunternehmen die Umsatzsteuer für die beendeten Arbeiten zu begleichen habe, obwohl die Leistungen formal nicht abgenommen wurden und es keine Zahlung dafür erhalten hatte. Nach Ansicht der Steuerbehörden entsprach die Besteuerungsgrundlage der Höhe der Klageforderungen in der Höhe des Gesamtbetrages der Verträge abzüglich der zuvor in Rechnung gestellten Beträge.

Zeitpunkt Steuerpflicht

Der Steuerpflichtige legte eine Klage beim Wojewodschaftlichen Verwaltungsgericht in Warschau ein, in der er die Aufhebung der Entscheidungen der Steuerbehörden beider Instanzen beantragte. Das Bauunternehmen argumentierte, dass keine Steuerpflicht entstanden sei, da beide Bauprojekte eingestellt wurden, und dass somit die Höhe der Steuerschuld von den Steuerbehörden falsch angegeben worden sei . Der Kläger betonte, dass

  • die umstrittenen Bauleistungen aus umsatzsteuerlicher Sicht nicht fertig gestellt seien, da die Auftraggeber sie faktisch nicht abgenommen haben,
  • der Wert der geleisteten Bauarbeiten und ihre Ausführung von den Auftraggebern in Frage gestellt wurden,
  • die Arbeiten in wesentlich engerem Umfang ausgeführt wurden als in den Verträgen vorgesehen und die Bauverträge vor Abschluss der Arbeiten ausgelaufen sind.

 Standpunkt der Verwaltungsgerichte beider Instanzen

Der Streit mit den Steuerbehörden wurde mit Urteilen der Verwaltungsgerichte beider Instanzen zugunsten des Steuerpflichtigen beigelegt (Urteil des Wojewodschaftlichen Verwaltungsgerichts in Warschau vom 28. Oktober 2016 Nr.: III SA/Wa 2586/15 und des Obersten Verwaltungsgerichts vom 14. November 2019 Nr.: I FSK 1148/17).

Im Mittelpunkt des Steuerstreits standen zwei Fragen:

  1. Entsteht eine Steuerpflicht im Wortlaut der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Vorschriften, wenn ein Bauprojekt eingestellt wird? Wenn ja – zum welchem Zeitpunkt?
  2. Könnte die Besteuerungsgrundlage der Höhe der Klageforderung entsprechen, insbesondere wenn der Wert der geleisteten Bauarbeiten vom Auftraggeber gänzlich in Frage gestellt wird?

Wie von beiden Gerichten ausgelegt wurde, entsteht die Steuerverpflichtung bei Bauleistungen im Wortlaut der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Vorschriften und basierend auf dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Mai 2013 in der Rechtssache C-169/12 mit dem vollständigen oder teilweisen Eingang der Zahlung. Deswegen kann im vorliegenden Fall eine mögliche Steuerpflicht erst nach Beendigung des Zivilrechtsstreits zum Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung erörtert werden.

Die Höhe der Besteuerungsgrundlage kann nicht basierend auf dem Wert des Zivilanspruchs des Bauunternehmens ermittelt werden, weil der Anspruch zum Teil zivilrechtlich als Schadenersatz angesehen werden könnte, der nicht der USt-Versteuerung unterliegt.

Gemäß Artikel 5 Abs. 1 Punkt 1 des polnischen Umsatzsteuergesetzes unterliegen der Besteuerung mit der Umsatzsteuer die entgeltliche Lieferung von Waren und die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen im Inland. Stellt das Zivilgericht daher fest, dass die Zahlung ausschließlich als Schadenersatz erfolgt, entsteht keine Steuerpflicht, da Schadenersatz keine Vergütung für Dienstleistungen ist.

Für Bauunternehmen, die mit ihren Auftraggebern in Streit geraten, können die oben beschriebenen Urteile zusammen mit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 2. Mai 2019 in der Rechtssache C-224/18 (Budimex) von erheblicher Bedeutung sein. Potenziell könnte die Steuerpflicht für geleistete, aber vom Auftraggeber nicht akzeptierte Bauarbeiten erst nach Beilegung des Zivilrechtsstreits und nicht nach der faktischen Beendigung der Arbeiten entstehen.

Mehr zum EuGH-Urteil vom 2. Mai 2019 in der Rechtssache C-224/18 (Budimex) finden Sie im unseren Artikel: „Neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Wann entsteht die Steuerpflicht bei Beendigung von Bauleistungen?“.

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