Sachverhalt – sind die Carnets TIR als Belegnachweis geeignet?

Eine rumänische Gesellschaft, die als Vermittlerin auf dem Gebiet des Güterkraftverkehrs tätig ist, befördert Waren von Rumänien in Drittländer. Die Gesellschaft verfügt über die CMR-Frachtbriefe und die Carnets TIR, die von den Zollbehörden der Drittländer, in die die Ware ausgeführt wird, mit einem Sichtvermerkt versehen werden. Nach Ansicht der Gesellschaft belegen die vorhandenen Dokumente die tatsächlich erfolgten Ausfuhren, folglich dürften die erbrachten Beförderungsdienstleistungen von der Umsatzsteuer befreit werden. Gemäß Richtlinie 2006/112/EG des Europarates über das einheitliche Mehrwertsteuersystem gilt nämlich für Dienstleistungen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausfuhr von Waren stehen, die Steuerbefreiung.

Bei einer Steuerprüfung beanstandete jedoch die Steuerbehörde die Anwendung der Steuerbefreiung wegen der fehlenden Ausfuhrzollanmeldungen. Die Steuerbehörde argumentierte, dass Carnets TIR und CMR-Frachtbriefe als Nachweis für Umsatzsteuerzwecke nicht anerkannt werden konnten, da diese Dokumente lediglich die Erbringung der Beförderungsleistungen für den Ausführer belegen, aber nicht, dass die Ware tatsächlich in das Bestimmungsland gelangt ist.

Das rumänische Gericht wies darauf hin, dass aus den innerstaatlichen Vorschriften nicht hervorgeht, dass der Steuerpflichtige die Ausfuhr der Waren zwingend durch eine Ausfuhrzollanmeldung nachweisen muss. Um den Rechtsstreit zu lösen, richtete das Gericht an den Europäischen Gerichtshof die Vorlagefrage, ob ein von der Zollstelle des Bestimmungslandes abgestempeltes Carnet TIR als Belegnachweis für die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung gelten kann.

Ausfuhrzollanmeldung

Für die Steuerbefreiung sind die materiellen Voraussetzungen vorrangig

Der EuGH entschied im vorliegenden Fall, dass die Steuerbefreiung für die unmittelbar mit der Ausfuhr von Gegenständen in Zusammenhang stehenden Beförderungsleistungen nicht davon abhängig sein soll, ob der Steuerpflichtige eine Ausfuhrzollanmeldung besitzt. In der Urteilsbegründung wurde betont, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung als wesentlich betrachtet werden sollen und die Einhaltung formeller Pflichten nebensächlich ist. In diesem Zusammenhang erwähnte der EuGH die Rechtsprechung, nach derer bei der Nichteinhaltung von formellen Anforderungen der Steuerpflichtige das Recht auf Befreiung (doch) verlieren wird, wenn ein Steuermissbrauch oder eine Steuerhinterziehung vorliegt.

 

Sämtliche Dokumente müssen untersucht werden

Nach Auffassung des EuGH müssen also die Steuerbehörden alle vorhandenen Belege prüfen, um feststellen zu können, ob die Ware tatsächlich in ein Drittland geliefert wurde. Aus dem Umstand, dass der Steuerpflichtige keine Ausfuhranmeldung vorlegen kann, kann man nicht schlussfolgern, dass eine Ausfuhr der Waren nicht stattgefunden hat. Demnach ist ein Carnet TIR, das von einer Zollstelle mit einem Vermerk versehen wurde, als Nachweis zu betrachten, der von der Steuerbehörde grundsätzlich berücksichtigt werden muss. Die Steuerbehörde kann jedoch die Vorlage der zusätzlichen Dokumente anfordern, wenn sie begründete Zweifel an der Echtheit des Carnet TIR hat.

Quelle: Urteil des EuGH vom 8. November 2018 in der Rechtssache C‑495/17

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