Hintergrund der Erwägungen
Ein deutsches Unternehmen erwarb eine Ware in Polen von einem polnischen Unternehmen. Es wurde vereinbart, die erworbene Ware direkt vom polnischen Unternehmen in Polen bis zum Kunden des deutschen Unternehmens außerhalb der Europäischen Union zu befördern. Somit wurde im vorliegenden Fall ein Reihengeschäft abgeschlossen.
Im Rahmen weiterer Vereinbarungen wurde festgelegt, dass zwischen dem polnischen und dem deutschen Unternehmen die Incoterms EXW (d.h. das Risiko des Verlustes oder der Beschädigung der Ware geht grundsätzlich im Werk des Verkäufers über) gelten. Zwischen dem deutschen Unternehmen und dem sich außerhalb der Europäischen Union befindenden Kunden wiederum wurden die Incoterms CFR (d.h. die Gefahr des Verlustes oder der Beschädigung der Ware geht über, wenn die Ware sich an Bord eines Schiffes befindet) als geltend vereinbart.
Für die Organisation des Transports der erworbenen Ware war das deutsche Unternehmen verantwortlich. Im Rahmen einer ersten Phase sollte die Ware mithilfe eines Landtransports zu einem Seehafen befördert werden. Allerdings blieb ungeklärt, ob diese Ladung im Rahmen einer zweiten Phase in einem polnischen oder einem anderen europäischen Hafen aufgegeben werden sollte.
Reihengeschäfte aus steuerlicher Sicht
Mit einem Reihengeschäft hat man dann zu tun, wenn mehrere Unternehmen Geschäfte über denselben Liefergegenstand abschließen und dieser Gegenstand direkt vom ersten zum letzten Unternehmen in der Reihe befördert wird.
Das bedeutet also, dass aus steuerlicher Sicht mehrere Lieferungen, die man gesondert betrachten muss, ausgeführt werden. Im Rahmen solcher Lieferketten ist die Beförderung der Ware nur einer Lieferung zuzuordnen (d.h. dass nur eine Lieferung als grenzüberschreitend betrachtet wird), die aus diesem Grund im Prinzip steuerbefreit ist. Eine solche Lieferung nennt man bewegte Lieferung.
Alle anderen Lieferungen, die schon der Besteuerung mit Umsatzsteuer unterliegen, sind dann als ruhende Lieferungen zu betrachten. Das sind sowohl die Lieferungen, die im Land, wo die Beförderung von Waren begann, besteuert werden, als auch diejenigen, die im Land besteuert werden, wo die Beförderung von Waren endete.
Die Kriterien, die bei der steuerlichen Beurteilung von Reihengeschäften aufgrund einschlägiger Vorschriften berücksichtigt werden müssen, sind vor allem die Transportorganisation und der Zeitpunkt, zu dem das Recht, über die Waren wie ein Eigentümer zu verfügen, übertragen wird, was man oft mithilfe der Incoterms festlegt.
Schlussfolgerungen
Im vorliegenden Fall ist damit für die Beurteilung, welche der beiden Lieferungen als bewegte Lieferung gilt, die Feststellung, wo genau das mittlere Unternehmen (d.h. das deutsche Unternehmen) das Verfügungsrecht über die Ware auf den Endabnehmer (d.h. den Kunden, der sich außerhalb der Europäischen Union befindet) überträgt, von besonderer Bedeutung.
Die Lieferung an das mittlere Unternehmen, das den Transport organisiert, stellt die bewegte Lieferung dar, wenn das Verfügungsrecht über die Ware von diesem mittleren Unternehmen auf den Endabnehmer nicht in Polen als Abgangsland, sondern im Bestimmungsland übertragen wird. Sollte dieses Recht jedoch vom mittleren Unternehmen auf den Endabnehmer noch in Polen als Abgangsland übertragen werden, ist erst die Lieferung des mittleren Unternehmens an den Endabnehmer die bewegte Lieferung.
Im vorliegenden Fall wurde die Ware letztendlich zu einem polnischen Hafen befördert und von dort an Bord eines Schiffs zum Kunden des deutschen Unternehmens in einem Drittland aufgegeben. Somit gab es keine Zweifel, dass die bewegte Lieferung zwischen dem deutschen Unternehmen und dem Kunden außerhalb der Europäischen Union stattfand, weil das erwähnte Verfügungsrecht über die Ware vom deutschen Unternehmen auf den Endabnehmer noch in Polen (d.h. im Abgangsland) überging.
Man kann allerdings nicht ausschließen, dass der Fall anders zu qualifizieren wäre, wenn die Waren zu einem anderen europäischen Hafen, z.B. in Deutschland, befördert worden wären, um sie von dort aus in ein Drittland aufzugeben.
Dabei könnte man sich jedoch auf die Entscheidung des Europäischen Gerichthofs in der Rechtsache C‑245/04 EMAG Handel Eder OHG vom 06.04.2006 stützen, in der folgendermaßen entschieden wurde: Wenn zwei aufeinanderfolgende Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen, die als solche handeln, vorgenommen werden, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands führen, dann kann diese Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die als einzige befreit ist.
Gleichzeitig wurde hervorgehoben, dass diese Auslegung unabhängig davon gilt, in wessen Verfügungsmacht – des Erstverkäufers, des Zwischenerwerbers oder des Zweiterwerbers – sich der Gegenstand während dieser Versendung oder Beförderung befindet.
Somit könnte man annehmen, dass es eigentlich keine Rolle spielen sollte, ob die Verfügungsmacht über die Ware während des Transports übergeht oder nicht. Damit würde die bewegte Lieferung zwischen dem polnischen und dem deutschen Unternehmen stattfinden, weil die Gefahr des Verlustes oder der Beschädigung der Ware zwischen ihnen noch in Polen als Abgangsland (d.h. im Land, wo die Beförderung der Ware begann) übergeht. Zwischen dem deutschen Unternehmen und dem Kunden außerhalb der Europäischen Union erfolge dagegen eine ruhende Lieferung in ein Drittland, die in diesem Land auch besteuert werden sollte, weil dort die Beförderung der Ware endet.
Wir empfehlen unabhängig davon, jeden Fall immer gründlich zu analysieren, um alle steuerlichen Folgen abzuschätzen und potenzielle Probleme zu vermeiden.
Bitte beachten Sie, dass die dargestellten Erwägungen nur die Reihengeschäfte, die Lieferungen in Länder außerhalb der Europäischen Union beinhalten, betreffen. Seit dem Eintritt der Änderungen im Rahmen der Quick Fixes am 01.01.2020 gelten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen andere Regeln.
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